Vor zwei Jahren konnte Bizuyes kleiner Sohn nicht gehen. Heute läuft er, lacht und spielt – und seine Mutter hat eine feste Arbeit.
Vor zwei Jahren war ich verzweifelt. Mein Mann war verschwunden, einfach weggeblieben von der Arbeit in der Colafabrik. Ich suchte ihn, vergeblich. Hat er mich verlassen, einfach so? Oder ist ihm etwas zugestossen? Ich weiss es nicht. Ich liebe ihn immer noch.
Am meisten Sorgen machte ich mir um meinen Sohn Makbel. Er war fast zweieinhalb Jahre alt und konnte noch immer nicht gehen. Er krabbelte nur. Ich dachte, vielleicht stimmt etwas mit seiner Wirbelsäule oder mit der Hüfte nicht. Ich hatte Angst, dass er für immer behindert bleibt. Für eine Untersuchung hatte ich kein Geld.
Mit dieser Sorge allein zu sein, war unerträglich. Ohne das Einkommen meines Mannes konnte ich die Miete nicht mehr zahlen. Nach und nach verkaufte ich alles, was ich hatte – auch die Küchengeräte. Ich hatte Angst, dass der Vermieter mich auf die Strasse setzt.
Der einzige Lichtblick in dieser Zeit: Ich durfte eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin bei Menschen für Menschen beginnen. Gleichzeitig nahmen sie auch Makbel in ihr Ernährungsprogramm auf, weil er unterernährt war. Als die Leute von Menschen für Menschen sahen, dass mein Bub noch nicht gehen konnte und wie verzweifelt ich war, liessen sie Makbel im Hospital untersuchen.
Die Ärzte stellten fest, dass seine Knochen zu schwach waren – eine Folge von Mangelernährung, sagten sie. Er bekam Spezialnahrung und Physiotherapie, dafür sorgte Menschen für Menschen. Ich lernte im Unterricht, wie ich auch mit wenig Geld nahrhafte Mahlzeiten zubereiten kann – mit Bohnen und anderen Hülsenfrüchten.
Makbel machte schnell Fortschritte. Nach wenigen Monaten konnte er laufen. Heute ist er vier Jahre alt, kräftig und fröhlich. Wenn ich ihn spielen sehe, wie er lacht und rennt, erinnere ich mich an die schlimme Zeit und bin froh, dass es uns heute besser geht.
Nach der Ausbildung bekam ich gleich eine Anstellung in einem Kindergarten. Auch das hängt mit Menschen für Menschen zusammen. Wir sind fünf Betreuerinnen, vier von uns haben die Hauswirtschaftsausbildung gemacht. Die Betreiberin des privaten Kindergartens nimmt gezielt uns Absolventinnen. Sie sagt, wir seien besonders gut.
Ich verdiene nicht allzu viel Geld, aber es gibt andere Vorteile: Ich darf Makbel mit zur Arbeit nehmen, und wir können dort essen. Das hilft uns sehr. Ich habe ein kleines Zimmer gemietet, denn tatsächlich hat mich der Vermieter der früheren Wohnung rausgeworfen. Die Miete ist hoch, alles ist teuer geworden – Brot, Öl, Seife, Strom. Ich darf nicht einmal selbst backen, weil mein Vermieter die Stromkosten fürchtet.
Aber trotzdem: Wenn ich an früher denke, an die Angst und die Verzweiflung, dann ist alles heute ganz anders. Ich habe Arbeit, ich habe gute Kolleginnen, und mein Sohn ist gesund. Dafür bin ich so dankbar.