Ayele musste sehr hart arbeiten, statt zu lernen. Er wusch Rinderpansen, trug Bierkästen und-fässer, ertrug das Schimpfen seines Chefs. Mit 13 Jahren war er der Haupternährer der Familie. «Ich will wieder in die Schule», sagte er: Protokoll einer schweren Kindheit – mit einem Happyend.
Ayele Terefe, 13, erzählt:
«Oft frage ich mich: Warum habe ich so ein hartes Leben? Andere Kinder gehen in die Schule. Ich gehe in ein Café. Jeden Tag, ohne Pause. Auch am Sonntag. Von früh am Morgen bis abends spät.
Ich stehe um fünf Uhr auf. Dann wasche ich Rinderpansen, Nieren und andere Innereien. Das essen hier viele Gäste zum Frühstück. Danach arbeite ich als Kellner. Ich bringe Essen, ich putze, ich trage Bierkästen. Manchmal geht es bis Mitternacht.
Dafür bekomme ich 1500 Birr im Monat. Und Essen, drei Mahlzeiten am Tag. Trinkgeld fast nie. Das Geld gebe ich meiner Familie. Nur wenn ich Schuhe brauche, kaufe ich sie selbst.
In der Schule war ich bis zur fünften Klasse. Ich war nicht schlecht, ich war Fünftbester in meiner Klasse. Aber dann konnte ich nicht mehr hingehen. Wir hatten kein Geld, und ich musste arbeiten. Jetzt sind es schon drei Jahre. Ich will wieder in die Schule. Ich will Arzt werden. Oder Pilot. Auf jeden Fall will ich studieren.
Wir wohnen in einem Rohbau. Ohne Fenster, ohne Türen. In einer Ecke ist eine Plane, darunter schlafen wir. Meine Mutter hat immer Angst, dass mein kleiner Bruder runterfällt. Er krabbelt schon, und es gibt kein Geländer. Unter uns ist ein offenes Stockwerk.
Mein Vater lebt nicht mehr. Er hat viel getrunken. Deshalb ist meine Mutter weggelaufen. Später ist er gestorben. Jetzt sind wir mit Bekele zusammen, meinem Stiefvater. Er ist Wächter hier auf der Baustelle. Deshalb dürfen wir hier wohnen. Aber er bekommt keinen Lohn. Ausserdem ist er krank. Er hat hohen Blutdruck und fällt manchmal einfach um.
Meine Mutter arbeitet in Häusern. Sie putzt, sie bäckt. Aber jetzt ist sie selbst krank. Seit zwei Wochen hat sie keine Arbeit mehr. Sie sagt, sie hofft, bald auf einer Blumenfarm als Arbeiterin anfangen zu können.
Ich bin meist niedergeschlagen. Freuen tue ich mich, wenn im Café die Gäste weniger werden. Dann weiss ich, dass ich bald nach Hause kann. Oder wenn ich weiss, dass das der Lastwagen mit den Bierkisten nicht kommt. Die Kästen sind sehr schwer, meine Arme schmerzen. Oder wenn ich mit meinem Freund Fussball schauen kann. Manchester City ist mein Team. Ich mag es, wenn sie Kombinationen spielen.
Ich bin oft traurig. Wenn die Angestellten im Café schimpfen. Wenn ich etwas falsch mache. Sie sagen dann, sie kürzen meinen Lohn. Das machen sie nicht, aber ich habe trotzdem Angst. Manchmal weine ich.
Meine Mutter sagt, es tue ihr weh, dass ich so viel arbeiten muss. Aber es geht nicht anders.
Ich hoffe nur, dass ich wieder in die Schule gehen kann. Das ist mein grösster Wunsch.»