Biruk Fanta, 11 Jahre: «Ich will wieder lernen»
«Ich stehe morgens oft an der Strasse vor unserer Unterkunft. Ich sehe die Kinder, wie sie zur Schule gehen. Ich bleibe lange stehen und schaue ihnen nach.
Ich gehe nicht zur Schule. Früher lebte ich bei meiner Oma auf dem Land. Am Morgen war ich in der Schule, am Nachmittag hütete ich mit meinem Freund Yehwalashet die Tiere: Ochsen, Ziegen, Schafe, Esel. Ich war ein guter Schüler. In meiner Klasse war ich meistens Erster. Doch meine Oma hatte bald nicht mehr genug zu essen für uns. Deshalb schickte sie mich zurück in die Stadt, zu meinem Mami.
Meinen Vater kenne ich nicht. Er ist weg, seit ich klein war. Jetzt lebe ich mit meinem Mami, meinem Stiefvater und meiner kleinen Schwester Fekr. Mami arbeitet viel. Sie backt und wäscht Kleider für andere Leute. Sie verdient nicht viel Geld.
Mein Stiefvater war früher in einer Miliz. Er kämpfte im Krieg. Seitdem ist er krank. Er hat Kopfschmerzen und keinen Appetit. Oft ist er zu schwach zum Arbeiten. Er sucht Hilfe in der Kirche, trinkt dort heiliges Wasser. Wenn es ihm besser geht, arbeitet er als Helfer auf dem Bau. Aber das ist selten.
Nach den grossen Ferien verlangen die Lehrer Geld für Kreide und andere Sachen. Dafür brauchten wir 1000 Birr (umgerechnet sieben Franken). Mein Mami hatte das Geld schon gespart. Dann kam plötzlich der Vermieter und wollte die Miete haben. Er drohte, uns aus der Wohnung zu werfen. Mami musste bezahlen. Für die Schule blieb kein Geld mehr.
Jetzt bin ich zu Hause. Ich helfe Mami und passe auf meine kleine Schwester Fekr auf. Sie ist zwei Jahre alt. Wir spielen zusammen. Sie bindet ihr Stofftier auf den Rücken, so wie die Mütter ihre Babys tragen. Dann drückt sie den Finger auf den Mund, sagt: «Schhhh! Sei leise, es schläft!» Ich nehme das Stofftier und wiege es in meinen Armen. Ich möchte wieder lernen. Ich will Wissen haben. Dann kann ich einen guten Job finden und ein gutes Leben haben. Später möchte ich Lehrer werden. Ich will Kindern helfen, die arm sind.»
Wir haben Biruk im Mai 2025 besucht. Seit September hat er die Schule wieder aufgenommen – dank der Spender von Menschen für Menschen.
WARUM WIR HELFEN
Viele alleinerziehende Mütter und ihre Kinder in der Stadt Debre Berhan sind extrem arm. Es gibt kein Geld für Schulbedarf, in den engen Unterkünften herrscht Nahrungsmangel. Viele Mütter sind mutlos, am Ende ihrer Kraft. Die Verzweiflung darf nicht auf die Kinder übergehen. Seit Januar fördern wir 1800 besonders bedürftige Kinder. Unser Konzept ist die «Hilfe zur Selbstentwicklung»: Die Mütter sollen auf eigenen Beinen stehen.
WAS WIR TUN
Einige unserer Aktivitäten:
- Die Kinder bekommen Schuluniformen, Stifte und Hefte – jedes Kind hat ein Recht auf Schule!
 - Die Wohnsituation ist häufig nicht menschenwürdig. Wir bauen Sozialwohnungen in traditioneller Lehmbauweise.
 - Wir schulen die Mütter in Selbsthilfegruppen. Sie bekommen Mikrokredite über 80 bis 200 Franken, bauen sich damit eine Existenz auf.
 - Unsere Mitarbeiterinnen sind vielfältige Stütze im Alltag. Sie beraten die Frauen fachlich bei der Gründung eines Kleingewerbes. Auch für die Kinder sind sie Vertrauensperson bei allen Nöten.
 
WAS WIR ERREICHEN
Unsere Erfahrungen zeigen: Nach drei Jahren können wir die allermeisten Familien in die Unabhängigkeit entlassen: Dank unserer Starthilfen können die Eltern es dann allein schaffen und den Kindern eine menschenwürdige Kindheit bieten. Daran arbeiten wir – dank der entscheidenden Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender.