«Das bin ich. Das ist mein Leben»
Seit Januar läuft eine neue Runde unseres grossen Kinderprojekts: In der Stadt Debre Berhan fördern wir drei Jahre lang 1800 Kinder aus den allerärmsten Familien. Zum Auftakt haben einige von ihnen ihre Welt gemalt. Die Bilder erzählen von Sorgen, Glück und grossen Träumen.
«Ich will Arzt werden. Aber am allerliebsten Fussballprofi»
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Ich habe ein Stadion gezeichnet: Manchester City spielt gegen Liverpool. Ich bin Liverpool-Fan. Mein zweites Bild zeigt die Arbeit meiner Mama. Da sind Tische und die Hocker, auf denen die Kunden Platz nehmen. Meine Mama kocht Kaffee für sie. So verdient sie Geld für uns. Das Bild habe ich gemalt, weil ich wegen meiner Mama in die Schule gehen und deshalb meine Träume erfüllen kann: Ich will ich Arzt werden. Aber am allerliebsten Fussballprofi.
Die Mütter haben keine Ausbildung. Sie waschen Wäsche von Hand, rösten Kichererbsen über offenen Feuerstellen, schuften als Trägerinnen auf dem Bau: harte Arbeit für einen Hungerlohn. Viele Frauen streben deshalb ein Kleingewerbe an, etwa einen Strassenimbiss oder eine Kaffeestube. Wir unterstützen Frauen mit Schulungen und Mikrokrediten dabei, sich eine Existenz aufzubauen.
«Ich möchte Englisch so gut sprechen wie die Ausländer!»
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Nach den grossen Ferien durfte ich nicht mehr zur Schule. Mein Vater sagte, wir hätten zu wenig zu essen. Meine Mama sagte, ich müsse auf meine Geschwister aufpassen, während sie arbeitet: Die Zwillinge sind knapp zwei Jahre alt. Meine Mama putzt und wäscht Kleidung in anderen Haushalten. Mein Vater ist Taglöhner. Mein Traum ist es, Ärztin zu werden. Ich vermisse die Schule – meine Freunde und auch das Lernen. Englisch mag ich besonders. Ich möchte Englisch so gut sprechen wie die Ausländer! Auf meiner Zeichnung sieht man den Fahnenappell in der Schule. Jeden Morgen vor dem Beginn des Unterrichts singen die Kinder die Nationalhymne auf der Schulwiese. Ich singe sehr gern. Aber den Text des Liedes habe ich schon vergessen.
Wir sorgen dafür, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher den Unterricht wieder aufnehmen. Wir statten die Familien mit Schulbedarf und Schuluniformen aus. Hiwot haben wir im Mai besucht – seit September geht sie wieder zur Schule. In Selbsthilfegruppen bereiten wir Mütter auf eine berufliche Selbständigkeit vor – mit einem eigenen Geschäft können sie auch die Gebühren für private oder öffentliche Kitas bezahlen.
«Ich möchte Schriftstellerin werden.»
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Ich habe mich gemalt, wie ich schreibe. Ich möchte Schriftstellerin werden. Meine Lehrerin sagt, ich habe Talent. Manchmal lese ich meine Gedichte laut vor, in der Schule und in der Nachbarschaft, ich bekomme viel Lob dafür. Ich schreibe viel über meine Mama, wie gut sie ist und wie viel sie für mich und meinen Bruder tut. Wir haben keinen Vater. Er hat eine neue Familie. Einmal habe ich ihn auf der Strasse getroffen. Er steckte mir etwas Geld zu. Neben Gedichten schreibe ich Geschichten. In meiner Lieblingsgeschichte geht es um zwei Schwestern. Sie sind sehr verschieden. Eine der Schwestern ist überaus grosszügig und gibt den Nachbarn sehr viel Essen ab. Die andere Schwester kritisiert sie dafür: «Wir haben doch selbst kaum etwas!» Am Ende einigen sie sich auf einen Kompromiss. Ich teile gerne. Aber nicht alles. Man muss genau überlegen, was man abgeben kann. Es geht um das richtige Mass.»
In armen Familien bleiben viele Talente unentdeckt, weil Zeit und Mittel fehlen, sie zu fördern. Wir geben Kindern Hefte, leiten sie zum Schreiben an, damit sie ihre Gedanken und Gefühle festhalten können. So verarbeiten sie Erlebtes, stärken ihr Selbstbewusstsein und entwickeln sich weiter.
«Mein Wunsch ist, dass Gott uns aus diesem Haus herausholt.»
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Grosse Tropfen fallen auf unser Haus. Und auf mich und meine kleine Schwester Dagmawit, wir stehen zusammen unter einem Schirm. Der Regen dringt durch das löchrige Dach. Die Regenzeit macht mich unglücklich. Alles wird nass, auch unsere Wolldecken, wenn wir schlafen. Wir können die elektrischen Geräte nicht nutzen, also auch nicht kochen und essen. Mein Wunsch ist, dass Gott uns aus diesem Haus herausholt. Später möchte ich Ingenieur werden. Dann könnte ich Häuser bauen, die trocken bleiben.
Die Wohnungssituation der ärmsten Familien ist menschenunwürdig. Sie leben auf wenigen Quadratmetern in Verschlägen aus Karton, Holz und rostigem Blech. Es gibt keine Kanalisation, bei Wolkenbrüchen werden Wohnungen oft überschwemmt. Wir bauen einfache Häuser in Lehmbauweise für 96 Familien.
«Wir wurden vertrieben. Es gab dort Krieg.»
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Mit meinen Freundinnen Elsa und Kellem mache ich oft Seilspringen. Ich mag es sehr. Es entspannt meinen Kopf. In der Schule mag ich Mathematik am liebsten. Rechnungen zu lösen, macht mich glücklich.
Ich komme aus Jigjiga in der Somali-Region. Wir wurden vertrieben. Es gab dort Krieg. Meine Mama hat mir gesagt, mein Vater sei verwundet worden. Ich weiss nicht, ob er noch lebt. Also wohne ich mit meiner Mama. Sie kauft beim Grosshändler Gemüse auf Kredit und verkauft es in kleinen Mengen. Das macht sie jeden Tag.
Ich möchte Künstlerin werden. Wenn nicht, dann Filmemacherin. Ich mag äthiopische Filme, vor allem Liebesfilme, in denen es keinen Streit gibt.
In Äthiopien sind rund 4,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben – sie mussten ihre Heimat verlassen, weil Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, politische Spannungen und wiederkehrende Kämpfe um Land und Ressourcen das Leben unsicher machen (UNOCHA, Juni 2024). Viele haben alles verloren. Sie sind auf besondere Unterstützung angewiesen, um ein neues Leben aufzubauen.
«In meiner Hand trage ich mein Pilotenzeugnis.»
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Ich möchte Pilot bei Ethiopian Airlines werden. Ich sehe die Flugzeuge am Himmel. Ich mag die Uniformen. Und ich möchte meinen Eltern und meinen drei Geschwistern helfen mit dem Geld, das ich dann verdiene. Auf meinem Bild gehe ich als Pilot zum Flugzeug. In meiner Hand trage ich mein Pilotenzeugnis. Fliegen ist bestimmt herrlich! Aber ich könnte auch Lastwagenfahrer werden. Die verdienen auch Geld.
Ethiopian Airlines gilt heute als die erfolgreichste Fluggesellschaft Afrikas und steht für die Aufbruchsstimmung in Äthiopien. Doch vom wirtschaftlichen Wachstum profitieren die ärmsten Familien kaum. Für ihre Kinder bleibt Bildung der einzige Weg, um an dieser Entwicklung teilzuhaben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass jedes Kind zur Schule gehen kann.
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«Begierig nach Wissen»
Der Vermieter kam und wollte die Miete haben. Er drohte, uns aus der Wohnung zu werfen. Mami musste bezahlen. Für die Schule blieb kein Geld mehr.
WARUM WIR HELFEN
Viele alleinerziehende Mütter und ihre Kinder in der Stadt Debre Berhan sind extrem arm. Es gibt kein Geld für Schulbedarf, in den engen Unterkünften herrscht Nahrungsmangel. Viele Mütter sind mutlos, am Ende ihrer Kraft. Die Verzweiflung darf nicht auf die Kinder übergehen. Seit Januar fördern wir 1800 besonders bedürftige Kinder. Unser Konzept ist die «Hilfe zur Selbstentwicklung»: Die Mütter sollen auf eigenen Beinen stehen.
WAS WIR TUN
Einige unserer Aktivitäten:
- Die Kinder bekommen Schuluniformen, Stifte und Hefte – jedes Kind hat ein Recht auf Schule!
 - Die Wohnsituation ist häufig nicht menschenwürdig. Wir bauen Sozialwohnungen in traditioneller Lehmbauweise.
 - Wir schulen die Mütter in Selbsthilfegruppen. Sie bekommen Mikrokredite über 80 bis 200 Franken, bauen sich damit eine Existenz auf.
 - Unsere Mitarbeiterinnen sind vielfältige Stütze im Alltag. Sie beraten die Frauen fachlich bei der Gründung eines Kleingewerbes. Auch für die Kinder sind sie Vertrauensperson bei allen Nöten.
 
WAS WIR ERREICHEN
Unsere Erfahrungen zeigen: Nach drei Jahren können wir die allermeisten Familien in die Unabhängigkeit entlassen: Dank unserer Starthilfen können die Eltern es dann allein schaffen und den Kindern eine menschenwürdige Kindheit bieten. Daran arbeiten wir – dank der entscheidenden Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender.