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Unterstützung für Bauern: Gemeinsamkeit macht stark

In den abgelegenen Distrikten Abaya und Gelana im Süden von Äthiopien fördern wir die einzelnen Bauern und gleichzeitig ihre Zusammenschlüsse. Über das innovative Konzept berichtet Getachew Zewdu, Landesrepräsentant von Menschen für Menschen Schweiz, im Interview.

Unterstützung für Bauern

Getachew Zewdu ist Landesrepräsentant der Stiftung in Äthiopien.

Menschen für Menschen Schweiz unterstützt die Bauern von Abaya und Gelana – doch nur, wenn die Bauern Mitglieder in einer landwirtschaftlichen Kooperative sind. Warum?

Getachew Zewdu: Durch die Zusammenarbeit mit den Kooperativen vergrössern wir die Wirkung unserer Hilfe um ein Vielfaches. Wir helfen nicht nur dem einzelnen Bauern, sondern gleichzeitig dem ganzen Dorf.

Das müssen Sie genauer erklären!

Zunächst untersuchen wir, welche Familien zu den Ärmsten der Armen gehören – das sind Familien, die in der Regel sechs Monate im Jahr nicht genug zu essen haben. Denen machen wir das Angebot, ihnen mit Trainings und landwirtschaftlichen Inputs zu helfen. Wir stellen etwa verbessertes Saatgut zur Verfügung oder Vieh, das die armen Bauern mästen können.

Sie bekommen die Inputs einfach geschenkt?

Nein, das ist der Clou: Wir verlangen von den Bauern, dass sie in eine Kooperative eintreten. Wenn sie Mitglied sind, gehen unsere Inputs an die Bauern, aber sie müssen deren Wert dann an die Kooperative zurückzahlen – wenn sie geerntet bzw. das erhaltene Vieh mit Gewinn weiterverkauft haben.

Menschen für Menschen Schweiz stellt den Bauern einfach ein Schaf oder ein Rind auf den Hof?

Nein, sie gehen selbst auf den Markt und suchen sich ein Tier aus, sie verhandeln auch selbst den Preis mit dem Händler. Von uns wird lediglich geprüft, ob der Preis handelsüblich und fair ist, bevor wir die Summe freigeben. So entsteht Besitzer-Verantwortung und das Gefühl, nur das zurückzuzahlen, was das Tier wirklich wert ist – plus einem Zins von lediglich sechs Prozent pro Jahr.

Sechs Prozent? Das klingt nicht gerade niedrig bei den aktuell üblichen Zinsraten …

Ja, in einem internationalen Kontext stimmt das. Aber die Situation für die armen Bauern in Äthiopien ist eine völlig andere als für Europäer: Sie haben null Chancen auf einen Kredit bei einer Bank. Viele müssen, um überhaupt säen zu können, Geld oder Saatgut bei lokalen Geldgebern leihen, zu schier unglaublichen Wucherbedingungen: Häufig müssen sie dann die Hälfte der Ernte abgeben. Das ist einer der Gründe, warum sie in so grosser Armut gefangen bleiben. Sechs Prozent Zinsen jährlich werden von allen Beteiligten als fair empfunden – und die Rückzahlungen und die Zinsen gehen ja an die Kooperativen.

Unterstützung für Bauern

Äthiopische Bäuerinnen in einer Pflanzenschule.

Was machen die Kooperativen mit dem Geld?

Entweder sie verleihen das Geld wieder an weitere Bauern. Das war bislang ihr Haupthemmnis: Sie hatten zu wenig Geldmittel, um Kredite zu vergeben. Das bedeutet: Mit unserer Hilfe entsteht in Abaya und Gelana für die Bauern zum ersten Mal ein funktionierendes Kreditwesen zu fairen Bedingungen. Teile des Geldes werden auch verwendet, um Investitionen zu tätigen, die sich der einzelne Bauer nicht leisten kann.

Zum Beispiel?

Viele Bauern pflanzen Teff an, die äthiopische Zwerghirse. Wenn die Kooperative eine dieselbetriebene Mühle kauft, können die Bauern im Dorf ihren Teff mahlen – und damit teurer verkaufen: Gemeinsam schaffen die Bauern zusätzliche Wertschöpfung für den Einzelnen.

Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Mittel in den Kooperativen nicht veruntreut werden?

Wir arbeiten ja mit Bauernkooperativen, die schon viele Jahre bestehen. Wie die Raiffeisen-Genossenschaften in der Schweiz haben sie eine funktionierende Struktur, mit einem Geschäftsführer, mit internen Buchprüfern und mit einer Vollversammlung. In den Jahren unserer Intervention sind wir ja mit eigenen Mitarbeitern vor Ort, aber der besondere Nutzen der Arbeit mit Kooperativen ist, dass unsere Inputs darin weiterwirken und Entwicklung schaffen, noch lange, nachdem wir das Gebiet wieder verlassen haben.

Die Landschaft in Abaya und Gelana ist grün und die Vegetation sieht üppig aus. Als Laie wundert man sich über die Not, die hier herrscht!

Man muss wissen, wie hoch die Bevölkerungsdichte ist und wie wenig Land den einzelnen Bauern bleibt. Die meisten Nutzniesser-Familien haben nur einen Acker, der kleiner ist als ein Fussballfeld – vom dort angebauten Getreide müssen Eltern und fünf oder sechs Kinder das ganze Jahr überleben.

Unterstützung für Bauern

Obwohl die Gegend grün ist, fehlt es den Grossfamilien an Nahrung.

Wie lässt sich begreifen, dass die Leute so viele Kinder bekommen, wenn sie so wenig Land haben? Es ist doch leicht einzusehen, dass es nicht ausreicht, alle zu versorgen!

Bislang fehlte hier die Aufklärungsarbeit, die Leute zu unterrichten, welche Konsequenzen zu grosse Familien haben. Traditionell sind Kinder ja in Äthiopien die Altersversicherung für die Eltern. Aber wir begleiten alle unsere Landwirtschaftshilfen nunmehr mit Familienplanungs-Kampagnen. In dieser Kombination können wir viel erreichen.

Gab es in Abaya und Gelana Begegnungen, die Sie besonders bewegt haben?

Wir waren bei einer Familie zu Besuch, die nur ein winziges Stück Land hat, vielleicht 500 Quadratmeter, aber sechs Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. Alle hatten zerschlissene Kleider – kein Familienmitglied hat eine zweite Garnitur. Der Vater hatte einen Verschlag aus Ästen und Maisstängeln gebastelt, dort schläft die komplette Familie. In ihrem Tukul, ihrer traditionelle Rundhütte, stehen jetzt nämlich die beiden Ochsen, die sie dank unserer Hilfe bekommen haben.

Warum sind die Tiere so wertvoll für die Familie, dass sie sogar ihr Haus für sie räumen?

Die Mutter der Familie erzählte mir, dass sie manchmal den Hof verlässt und ins Feld flieht, weil sie es nicht ertragen kann, wenn ihre Kinder sie wieder um Essen anflehen und sie ihnen nichts geben kann. Das Ehepaar hat begriffen, was sie für eine Chance erhalten, wenn die Ochsen jetzt schnell an Gewicht zulegen: In drei bis fünf Monaten können sie die Tiere verkaufen. Mit dem Erlös können sie den Kredit an die Kooperative zurückzahlen und zwei neue Jungtiere kaufen. Über einen relativ kurzen Zeitraum werden sie über das Mästen genug Geld für Lebensmittel, Kleidung und den Schulbedarf ihrer Kinder erwirtschaften. Die Impulse, die wir mit unserer Hilfe geben, führen also vom Elend in ein menschenwürdiges Leben.

Für 200 Franken erhält eine Familie einen Mastochsen, um Armut und Hunger zu entkommen. Vielen Dank für Ihre Spende!

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