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Unterernährte Kinder: „Zerbrechlich wie dünnes Glas“

Mitten in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gibt es Kleinkinder, die hungern. Meist sind ihre Mütter alleinerziehend. Sie müssen sich als Wäscherinnen und Bettlerinnen durchschlagen – so wie Tarik Almane. „Mein Sohn war zerbrechlich wie dünnes Glas“, sagt sie – bis Menschen für Menschen Schweiz auf das Schicksal ihres unterernährten Kindes aufmerksam wurde.

 

Unterernährte Kinder

Tarik mit ihren Kindern vor ihrer Wohnung. Die Hälfte ihres Bettellohns geht für die Miete drauf.

ALLE PAAR WOCHEN BITTET TARIK EINE NACHBARIN DIE KÖPFCHEN IHRER BEIDEN KINDER MIT EINER RASIERKLINGE ZU SCHEREN. Der zweijährige Wondimu und die sieben Jahre alte Hannah bekommen eine Glatze verpasst, damit die Läuse keine Chance haben. Hannah darf immerhin ein Büschel über der Stirn behalten. Zuletzt lässt sich Tarik Almane selbst das Kopfhaar komplett abrasieren. „Schönheit ist mir egal“, sagt sie. „Ich will mein weniges Geld nicht für mein Aussehen, sondern für meine Kinder ausgeben.“

Die Entbehrungen haben sich in das Gesicht der alleinerziehenden Mutter eingegraben. Man schätzt sie auf 40, dabei ist sie erst 30 Jahre alt. Täglich bindet sie Wondimu mit einem Tuch auf den Rücken und bricht aus ihrer schiefen Hütte auf. An einer alten Krücke humpelt sie zu den Kirchen der Umgebung, um dort zu betteln.

Tarik Almane ist kein Glückskind. Sie wurde mit einer Gehbehinderung geboren. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Sie war nie in einer Schule und ihre Mutter gab sie früh in eine Ehe mit einem armen Tagelöhner. Als ihre Tochter Hannah geboren war, sagte der Ehemann: „Du taugst nichts!“ und verliess sie. Um nicht in ihrer Heimatstadt betteln zu müssen, nahm sie den Bus nach Addis Abeba. Hier traf sie Abraham, auch er ein Tagelöhner. Er sagte: „Ich werde mich immer um dich kümmern.“ Doch als sie mit Wondimu schwanger war, verschwand auch er.

Unterernährte Kinder

Schwester Meaza wiegt den kleinen Wondimu: „Er legt wunderbar an Gewicht zu!“

Woher nimmt Tarik ihre Lebenskraft? Warum versinkt sie nicht in Niedergeschlagen-heit? Mit der Frage kann sie nichts anfangen: „Ich denke nicht an mich. Ich denke nur daran, wie ich meine Kinder versorgen kann.“ Und das Leben sei seit einem Jahr erträglich, als sie in das Ernährungsprogramm von Menschen für Menschen Schweiz aufgenommen wurde. „Vorher war Wondimu so dünn wie ein Grashalm“, sagt Tarik. „Als ich mit ihm zum ersten Mal zum Gemeinschaftsessen von Menschen für Menschen Schweiz kam und er gewogen werden sollte, trugen ihn seine Beinchen nicht mehr. Er fiel hin und ich hatte Angst, dass sein Körper auseinandersplittert wie Glas, so zerbrechlich wirkte er.“

AKUTE UNTERERNÄHRUNG

Schwester Meaza von Menschen für Menschen mass damals den Umfang seines Oberärmchens. „Nur neun Zentimeter“, erinnert sich die Krankenschwester: „Das bedeutet akute Unterernährung!“ – „Schon in meinem Bauch war Wondimu zu zierlich“, sagt Tarik. „Bei der Schwangerschafts-Voruntersuchung in der staatlichen Gesundheitsstation sagten sie zu mir: Du musst mehr essen! Er wurde schon im achten Monat geboren. Schau mich an: Ich bin so dünn, dass ich gar keine Brüste habe. Wie sollte ich einen Säugling ordentlich ernähren können?“ Aber jetzt, nach einem knappen Jahr Ernährungshilfe von Menschen für Menschen Schweiz (siehe weiter unten), liegt der Umfang von Wondimus Arm bei 12,5 Zentimetern. Und auch die vollen Bäckchen des Jungen deuten darauf, dass er jetzt viel besser genährt ist. Die Hilfe von Menschen für Menschen habe ihr Leben verändert, sagt Tarik: „Vorher war mein Sohn mehr tot als lebendig. Jetzt ist er wie andere Kinder, verspielt und neugierig.“

Unterernährte Kinder

Wondimu spielt mit der Krücke seiner Mutter.

 

 

Entscheidend für die Zukunft des kleinen Wondimu und der anderen Kinder im Ernährungsprogramm sind nicht nur die regelmässigen Lebensmittelhilfen, sondern auch die Schulungen bei den wöchentlichen Gemeinschaftsessen, betont Schwester Meaza. „Die meisten Mütter waren nie in einer Schule oder haben sie nach wenigen Jahren abgebrochen. Wir lehren sie die Grundlagen von Erziehung, Ernährung und Hygiene.“ Die Mütter erfahren, dass ihr Säugling Sonnenlicht braucht, damit die Haut Vitamin D produziert. Oder dass sie in den staatlichen Gesundheitsstationen Vitamin-A-Tabletten für die Kinder bekommen und dass die Kinder nicht tagaus, tagein lediglich Maisbrei essen sollen.

Auch Tarik hat ihre Gewohnheiten entsprechend umgestellt. Sie investiert die 50 Birr (rund zwei Schweizer Franken), die sie mit Betteln täglich verdient, nicht nur in die Miete ihrer schiefen Hütte und in Maismehl. „Jetzt kaufe ich Famix, eine Mischung aus Weizen- und Sojamehl.“ Und seit sie weiss, wie wichtig Hülsenfrüchte für eine ausgewogene Ernährung sind, fragt sie die Händler auf dem Markt, ob sie ihr einen Becher mit Bohnen oder Linsen schenken.

„Ich bin frustriert und traurig, dass ich niemals eine Schulbildung bekommen habe“, sagt sie. „Nur darum bin ich in meiner schlimmen Lebenssituation.“ Sie geht barfuss, verzichtet selbst auf den Kauf von billigen Plastikschuhen, damit sie die Schulgebühren und -materialien für ihre Tochter Hannah bezahlen kann. Tarik Almane, die Bettlerin aus Addis Abeba, will nicht mehr und nicht weniger von der Zukunft als jede andere Mutter: „Meine Kinder sollen es gut haben in ihrem Leben.“


WARUM WIR HELFEN

Viele Kinder in Addis Abeba bekommen noch nicht einmal eine Mahlzeit am Tag. Sie sind ständig geschwächt und es drohen Entwicklungsschäden. Wenn sie krank werden, magern sie weiter ab – das kann schnell lebensbedrohlich werden, gerade für die Kleinsten unter drei Jahren.

WIE WIR HELFEN:

  • Menschen für Menschen Schweiz versorgt die Mütter und ihre Kinder mit gesunden Lebensmitteln.
  • Einmal in der Woche werden die Kinder gemessen und gewogen.
  • Gleichzeitig bekommen die Mütter Unterricht, wie sie auch mit wenig Geld ihre Kinder langfristig möglichst aus – gewogen ernähren können.

Unterstützen Sie unterernährte Kinder mit Ihrer Spende!

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