Die Stiftung Menschen für Menschen Schweiz macht es sich zur Aufgabe, auf dem Land wie in den Städten Verelend- ung aufzuhalten und Lebenschancen aufzubauen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie die Menschen in Äthiopien unterstützen können. Hier finden Sie alle Spendenmöglichkeiten mit konkreten Beispielen.
Wiege der Menschheit, Herkunftsland des Kaffees, reiche Kultur und arme Familien. Über 100 Millionen Menschen leben hier: Auf Besuch in einem widersprüchlichen Land.
Natürlich gibt es früh am Morgen wehmütige Gesichter bei den Müttern und ein paar Tränen bei den Kindern. Aber sie trocknen schnell, nachdem die Mütter zu ihrem Unterricht geeilt sind. Jeden Tag spielen, singen, essen und schlafen acht bis zehn Kleinkinder in der Kinderkrippe, die Menschen für Menschen eingerichtet hat, damit die Mütter ihre Berufsausbildung machen können. Die Mütter haben sexuelle Belästigung erlebt und unter unmenschlichen Arbeitsverhältnissen gelitten. Wir wollen, dass es ihnen und ihren Kindern besser geht.
Natanum und Veronica mögen sich sehr
MENESA IST EIN JAHR UND SIEBEN MONATE alt. Bevor das kleine Mädchen in die Krippe kam, reagierte es ängstlich, sobald es nicht auf dem Schoss ihrer Mutter war. «Jetzt ist Menesa wie ausgewechselt», freut sich Nejat, ihre Mutter. «Ganz neugierig geht sie auf die Menschen zu!»
Auch Veronica, ein Jahr und zwei Monate alt, sei «offen und mutig», sagt Kindergärtnerin Genet Negash, 29. Den Buben Natanum mag sie offenbar besonders. Beim Mittagessen drücken sich die beiden Kinder dicke Küsse auf die Backe.
Was für eine Entwicklung: Vor sechs Monaten waren Menesa und Veronica abgemagert, schwach, mit glanzlosen Augen. Besonders Menesa war ständig krank. Immer wieder plagte sie ein schwerer Ausschlag.
Dass es den beiden Mädchen besser geht, ist auch ein Verdienst der Betreuerinnen. «So klein die Kinder sind, sie haben ihren eigenen Charakter. Den müssen wir respektieren», sagt Genet. «Kinder schenken uns so viel Liebe, das ist ihr Wesen. Wir brauchen diese Liebe nur zurückzugeben», sagt ihre Kollegin Elsa Ababu, 21.
Hanna mit Tochter Veronica nach dem Unterricht
Menesa und Veronica haben das Pech, in grosse Not hineingeboren worden zu sein. Ihre Mütter hatten zu wenig Muttermilch und weder Geld für Zusatznahrung noch medizinische Behandlung, weshalb die Säuglinge in ihren ersten Lebensmonaten schnell an Gewicht verloren – eine lebensbedrohliche Gefahr, denn das Immunsystem unterernährter Kinder ist schwach. Gewöhnliche Infektionskrankheiten können zum Tod führen.
Veronicas Mama ist Hanna Dejene, 28. Sie wuchs als Halbwaise auf. Als sie 17 war, erkrankte ihre Mutter an Tuberkulose. Hanna brach die Schule ab und reiste nach Dubai, um dort als Hausmädchen zu arbeiten und mit ihrem Lohn das Überleben der Mutter zu sichern.
Der Hausherr bestellte Hanna in sein Arbeitszimmer und zeigte ihr Porno-Videos: Das sei es, was er von ihr wünsche. Sie floh aus dem Haus und arbeitete illegal, bevor die Behörden sie einige Monate später zurück nach Äthiopien deportierten. Darauf zog sie in den Libanon. In Beirut fand sie Arbeitgeber, die sie gut behandelten. Aber nach vier Jahren reiste sie mit leeren Händen zurück in die Heimat, denn ihr gesamter Verdienst war in Lebenshaltung und Behandlung der Mutter geflossen.
«So klein die Kinder sind, sie haben ihren eigenen Charakter. Den müssen wir respektieren» Genet Negash, Kindergärtnerin
Hanna heiratete, aus Liebe. «Josef ist ein guter Mann, er arbeitet hart», sagt sie. «Aber er hat nie die Chance auf eine Ausbildung bekommen.» Zuerst kam Tochter Christina, die heute fünf Jahre alt ist, dann Veronica. Ihr Mann versuche, die Familie als Schneider für traditionelle Kleidung über Wasser zu halten. «Leider kaufen die Menschen immer weniger und nur zu Festtagen.» Im Alltag tragen sie Billigtextilien aus China. «Das Geschäft ging bankrott.»
Hanna musste mit ihrer Familie zurück auf das Grundstück der Mutter ziehen. Das gilt als Schande, denn junge Äthiopier sollen laut Tradition für ihre Eltern sorgen, nicht umgekehrt. Die junge Familie lebt jetzt in einer Aussenküche – ein Verschlag mit Kochstelle und Wänden aus Sperrholz mit zugigen Löchern. «Mein grösster Wunsch ist es, endlich wieder eine eigene Wohnung zu haben.
Hanna erzählt ihre Geschichte leise und stockend. Ihre Kollegin Nejat Mustafa dagegen, die Mutter der kleinen Menesa, spricht mit lauter und fester Stimme. Sie wirkt stark. «Das Leben hat mich abgehärtet», behauptet sie.
Nejat will sich nicht unterkriegen lassen. Ihre Tochter hat ein Recht auf eine gute Kindheit!
Auch Nejats Vater starb, als sie noch ein Kind war. Mit zwölf Jahren träumte sie davon, Pilotin zu werden – und schleppte nachmittags nach der Schule Steine auf dem Bau. «Manchmal hatten wir überhaupt nichts mehr zu essen im Haus.» Also brach sie mit 14 Jahren die siebte Schulklasse ab, um in Beirut als Hausmädchen zu arbeiten. Ein Lehrer fälschte ihren Schulausweis, machte sie darauf älter, damit sie ein Visum bekam und in den Libanon reisen konnte. «Ich war noch ein Kind. Ich hatte schreckliches Heimweh. Meine ersten Arbeitgeber schickten mich fort, sie konnten nicht aushalten, dass ich so traurig war und viel weinte.»
Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat reiste sie wieder, dieses Mal nach Dubai. «Ich arbeitete für eine Grossfamilie, sie hatte fünf Wohnungen mit 19 Zimmern. Ich musste sie sauber halten und für alle Familienmitglieder kochen. Ich arbeitete so viel, dass meine Periode ausblieb. Darauf brachte mich die Hausherrin ins Spital, um mich untersuchen zu lassen – sie vermutete, ich würde mit ihrem Mann schlafen. Doch der Arzt sagte, dass ich noch Jungfrau war. Ich hielt alles aus, weil ich an meine Mutter dachte, die von meinem Gehalt abhing.»
Für kurze Zeit die Armut vergessen: Christina, Veronica und ihre Grossmutter bei einem Singspiel
Auf Heimatbesuch in Äthiopien lernte sie einen Mann kennen. Als sie zurück in Dubai war, empfing sie von ihm sehnsüchtige Zeilen auf ihrem Telefon. Und er bat um Geld. Nejat schickte es ihm. Sie hatte anständige Arbeitgeber gefunden, die ihr ein verhältnismässig gutes Gehalt zahlten, rund 400 Franken im Monat. Doch dann stellte sie fest, dass sie schwanger war. Als sie ihrem Freund schrieb, dass er der Vater sei, brach er den Kontakt ab, erzählt Nejat nüchtern. «Er wollte nur mein Geld.»
Schwangere Hausangestellte sind in Dubai nicht erwünscht. Nejat musste nach Addis Abeba zurück. Doch in den vergangenen Jahren hatte sie der Mutter rund 5000 Franken geschickt und sie beauftragt, dafür ein einfaches Haus zu bauen – wie üblich aus einem Gerüst aus Eukalyptus-Bäumchen, mit Lehm verputzt und einem Dach aus Wellblech. «Dort lebte ich nach meiner Rückkehr mit meiner Mutter und meiner Tochter. Das Haus hatte fünf Zimmer, zwei konnte ich vermieten und von der Miete kauften wir unser Essen.»
Doch die Sicherheit war trügerisch. «Eines Morgens hörten wir Schreie vor der Tür: Raus aus den Häusern! Das Wasser kommt!» Nach einem Wolkenbruch wurde aus dem Flüsschen im Stadtteil Gefersa plötzlich eine Sturzflut. «Wir konnten uns gerade noch in eine höher gelegene Gasse retten.» Nach der Flut war das Haus weggerissen. «Die Haushaltswaren, die Kleidung, die ich aus Dubai mitgebracht hatte – alles weggespült.» Die Katastrophe geschah kurz nach Ausbruch der Corona-Epidemie. In Erwartung steigender Preise hatte Nejat die Ersparnisse für Lebensmittel ausgegeben – nun waren auch die Vorräte weg. Am Tag nach der Flut wurden in der Nachbarschaft acht Leichen aus Schlamm und Trümmern geborgen. «Ich hatte so viel verloren, aber ich sagte mir: Sei froh, dass dein Kind noch am Leben ist!» Sie zog mit Tochter und Mutter in das kleine Haus ihres Bruders. Die Kammer ist so klein, dass nur ein Bett hineinpasst. Darin schlafen Nejat, ihre Tochter und ihre Mutter zu dritt.
Hanna und Nejat haben Ihre Kochausbildung erfolgreich abgeschlossen
Schicksale wie die von Nejat und Hanna sind in den Frauenprojekten von Menschen für Menschen die Regel. Unsere Mitarbeiter wurden Anfang 2021 auf die beiden Mütter und ihre unterernährten Säuglinge aufmerksam und nahmen sie in unser Ernährungsprogramm für Kleinkinder auf. Fortan erhielten sie regelmässig proteinreiche Lebensmittel. Parallel konnten Nejat und Hanna an der Berufsbildung teilnehmen. Einzige Zugangsvoraussetzungen zum Kurs: besondere Armut und die Motivation, sich daraus herauszuarbeiten. Nach dem halbjährigen Intensivkurs schlossen Ende August 110 Frauen ihre Ausbildung zur Köchin und Hauswirtschafterin ab. Als Jahrgangsbeste wurde Hanna ausgezeichnet.
«Wir haben in der Ausbildung viel mehr als Fachwissen gelernt. Sehr wichtig waren der Austausch und der Zusammenhalt », sagt Hanna. «Früher wurde ich schnell wütend und niedergeschlagen. Nun habe ich gelernt, dass ich die Dinge zum Besseren wenden kann.» Sie hat bereits die Zusage, dass sie in einem Kindergarten arbeiten kann. Wie Hanna möchte Nejat möglichst bald wieder menschenwürdig wohnen. Sie plant, als Kellnerin Geld zu verdienen, um in einen Strassenimbiss zu investieren. Dort will sie mit Linsen gefüllte Teigtaschen anbieten. «Ich glaube an mein Können», sagt Nejat. «Nun kann ich in meinem Land bleiben und an einem besseren Leben für meine Tochter arbeiten.»
Berufsausbildung für arme Frauen in Addis Abeba
Viele Kinder in Addis Abeba sind unterernährt. Dies liegt am Geldmangel der oft alleinerziehenden Mütter: Als Ungelernte haben sie keine Chance auf eine sichere Arbeitsstelle. Ausserdem haben viele Mütter kaum Kenntnisse zu Gesundheitsvorsorge und ausgewogener Ernährung. Die Kinder sind geschwächt und anfällig für lebensbedrohliche Krankheiten.
So sichern wir die Gesundheit und Entwicklung ihrer Kinder.
Wir möchten unseren Spendern und Unterstützern künftig einen neuen Service bieten: Lernen Sie die Empfängerinnen und Empfänger Ihrer Hilfe persönlich kennen!
Am Donnerstag, 25. November 2021, um 12:30 Uhr fand ein Online-Event via Zoom statt. Per Videoanruf hatten Interessierte die Möglichkeit ihre Fragen an die Berufsabsolventinnen Hanna und Nejat zu stellen. Hier können Sie sich die Aufnahme des Events ansehen:
Videoaufzeichnung
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