Die Stiftung Menschen für Menschen Schweiz macht es sich zur Aufgabe, auf dem Land wie in den Städten Verelend- ung aufzuhalten und Lebenschancen aufzubauen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie die Menschen in Äthiopien unterstützen können. Hier finden Sie alle Spendenmöglichkeiten mit konkreten Beispielen.
Wiege der Menschheit, Herkunftsland des Kaffees, reiche Kultur und arme Familien. Über 100 Millionen Menschen leben hier: Auf Besuch in einem widersprüchlichen Land.
Die Kämpfe im Norden Äthiopiens zwischen der äthiopischen Armee und den Kämpfern der «Volksbefreiungsfront von Tigray» (TPLF) verursachen unermessliches Leid in der Zivilbevölkerung. Seit im November 2020 der Konflikt zwischen der Nationalregierung und den Rebellen in Tigray mit Waffengewalt ausgetragen wird, herrscht im Norden Äthiopiens eine humanitäre Notlage. Das wird in der Stadt Kombolcha deutlich, wo Menschen für Menschen 915 Familien mit Nothilfe versorgt. Die Kriegsflüchtlinge sind unter kaum erträglichen Bedingungen in Schulhäusern der Stadt untergebracht: Ein Vater berichtet über die Flucht seiner Familie und die aktuelle Lage.
Ein Teil der Flüchtlinge aus dem Norden wurde in Schulen untergebracht
Schulen in Äthiopien sind fast immer mit Wandgemälden geschmückt: Die Karte von Äthiopien, einem stolzen Land mit jahrtausendealter Geschichte. Löwen, Steinböcke und andere wilde Tiere aus dem Hochland. Skizzen zur menschlichen Anatomie. Dazu Sinnsprüche wie: «Wissen ist Entwicklung.» In Kombolcha, einer Stadt mit 9000 Einwohnern, prangt auf einer leuchtend blau gestrichenen Wand eines Schulhauses auch das Porträt der Zeichentrickfiguren «Tom und Jerry». Der Kater und der Mäuserich lachen den Betrachter an. Das macht den Kontrast zu dem jungen Mann noch grösser, der zusammengesunken auf einer Bank vor dem Wandgemälde sitzt. Mit leerem Blick schaut er in die Ferne.
«Ich denke an meine Mutter», sagt er. «Sie ist 65 und kann nicht mehr gut laufen. Ich musste sie zurücklassen.» Er stamme aus dem Norden der Provinz Amhara, wo derzeit Gefechte zwischen äthiopischer Armee und Rebellen stattfinden. Vier Tage seien er und seine Frau zu Fuss Richtung Süden gelaufen, den zweijährigen Buben hätten sie getragen. «Es regnete, wir waren durchnässt.» Am Abend klopften sie an die Türen von Häusern an der Strasse und baten um Unterschlupf für die Nacht. Vor einem Monat kamen sie in Kombolcha an – und vom Regen in die Traufe.
In Kombolcha sind die Schulen geschlossen, um die vielen Binnenflüchtlinge aufzunehmen. 4614 Menschen sind dort ohne jede Privatsphäre zusammengepfercht, pro Klassenzimmer rund dreissig Menschen. Versorgt wurden sie bislang sporadisch von ehrenamtlichen Initiativen in der Stadt. Oft war das zu wenig: Die Eltern reduzierten ihr Essen, damit die Kinder mehr bekamen.
Die Behörden entschieden, die Männer getrennt von den Frauen unterzubringen. Ab 20 Uhr herrscht in Kombolcha eine Ausgangssperre, weil man Anschläge durch einsickernde Rebellen befürchtet. Also liegt der Familenvater einsam auf dem Lehmboden des Klassenzimmers. Die Gedanken kreisen, Tag und Nacht.
Viele Menschen sind traumatisiert und stehen nach der Flucht vor dem Nichts!
«Wie soll es nur mit uns weitergehen?», sagt er leise. «Wir haben alles verloren.» Sein Poloshirt trägt er mit aufgestelltem Kragen, er sieht aus wie so viele junge urbane Äthiopier, im Stadtbild ist er nicht als Flüchtling zu erkennen.
Viele Jahre war er als Gastarbeiter in Saudi-Arabien, erzählt er, er habe fleissig gespart. Dann kehrte er in die äthiopische Heimat zurück, um eine Familie zu gründen. Er kaufte ein «Bajaj», ein motorisiertes Dreirad, und wurde damit Taxi-Kleinunternehmer. «Als die Rebellen kamen, nahmen sie mir mein Geld weg, mein Mobiltelefon und das Bajaj», sagt er. Als sie das Dreiradtaxi auf einen Lkw verladen hätten, habe er sich beschwert: «Einer der Männer richtete sein Gewehr auf mich und sagte, er würde mich erschiessen, wenn ich nicht meinen Mund halte.» Die Rebellen seien von Haus zu Haus gezogen. «Sie nahmen alles mit, was sie brauchen konnten, selbst Kleider.» Flüchtlinge in Kombolcha sagen auch, es sei zu willkürlichen Erschiessungen junger Männer gekommen. «Ich fürchtete, dass sie uns töten, deshalb sind wir geflohen», sagt der junge Familienvater.
Er rechne nicht damit, zurückkehren zu können, selbst wenn der Krieg zu Ende ist: «Von was sollten wir leben? Das Bajaj war meine Existenz.» Er überlege, wieder ins Ausland zu migrieren: «Darüber muss ich mit meiner Frau sprechen. Welche andere Option hätten wir?» Aber seine grösste Sorge sei seine Mutter: «Falls die Rebellen aus der Stadt vertrieben werden – rächen sie sich dann an den verbliebenen Einwohnern?»
Die Projektmitarbeiter kontrollieren die Abgabe der Hilfsgüter. Ein Paket schützt eine Familie für einen Monat vor Hunger und Mangel
Menschen für Menschen versorgt den jungen Mann, seine Frau und seinen Buben neben 914 weiteren Flüchtlingsfamilien in Kombolcha jetzt mit Nothilfe. Die erste Verteilung an insgesamt acht Schulen wurde Mitte Oktober organisiert. Insgesamt schafft die Schweizer Stiftung rund 200 Tonnen Mehl in die Stadt.
«Karlheinz Böhm hat Menschen für Menschen gegründet, um den bedürftigsten Familien in Äthiopien zu helfen. Ein Grundpfeiler dabei war immer politische und ethnische Neutralität», betont Geschäftsführer Kelsang Kone. «Deshalb sind wir auch in dieser Lage gefordert. Denn am meisten leidet in Kriegen die Zivilbevölkerung.» Entsprechend hilft Menschen für Menschen den bedürftigsten Familien auf allen Seiten. Bevor die Schweizer Stiftung ihre aktuelle Aktion in der Region Amhara startete, erreichte sie bereits im Mai 5248 Menschen in der Stadt Wukro in der Region Tigray mit Nothilfepaketen.
Ein Projektbüro mit drei Mitarbeitern organisiert nun in Abstimmung mit den lokalen Behörden die Beschaffung und Verteilung der Nothilfe in Kombolcha. Die Familien bekommen bis Ende des Jahres monatlich je 73 Kilogramm Maismehl, zwei Liter Speiseöl, daneben Pfannen und andere Kochutensilien, Seifen, Wasch- und Desinfektionsmittel. «In jedem Krieg gibt es unvorstellbar grosses Leid», sagt Kelsang Kone. «Mit der Nothilfe können wir zumindest Gesundheits- und Entwicklungsschäden der Kinder verhindern.»
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