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Mehr Einkommen für die Kaffeebauern von Kelaltu

Kaffeebäuerin in einer Sitzung

Kaffeebäuerin Ayantu Gitessa bei einer Sitzung in der Genossenschaft.

Wie viel verdienen die Kaffeebauern an einer Tasse Kaffee, die in einem Schweizer Café ausgeschenkt wird? Die Antwort: Einen Rappen. Menschen für Menschen sorgt im Dorf Kelaltu für einen besseren Verdienst.

 

Angenommen, ein Café in Europa nimmt für eine Tasse Kaffee 3.20 Franken. Welchen Anteil an diesem Verkaufspreis bekommt der Kaffeebauer in der Dritten Welt? Dieser Frage ist die «Financial Times» nachgegangen und rechnet vor: Für den Kaffee gibt der Cafébetreiber genau 13 Rappen pro Tasse aus – das sind lediglich 4 Prozent des Verkaufspreises. Da aber die Röster in Europa rund 80 Prozent davon einstreichen, und auch noch Händler und Spediteur verdienen wollen, bleiben bei dem Bauern nur noch Krümel übrig. Für jede Tasse Kaffee, die wir im Café geniessen, erhält der Erzeuger gerade mal 1.3 Rappen – also weniger als ein Prozent des Verkaufspreises.

 

Kaffee-Kooperative in Kelaltu

Mitglieder der Genossenschaft im neuen Lagerhaus


Ist das gerecht?
«Natürlich würden wir gerne mehr Geld bekommen», sagt Ayantu Gitessa, Kaffeebäuerin aus dem Dorf Kelaltu im südäthiopischen Distrikt Abaya. Wut oder Ärger sind nicht zu spüren in ihrem Satz. Bescheidenheit und Duldsamkeit sind seit Jahrhunderten grosse Tugenden in Äthiopien. Ohne diesen Stoizismus würden die armen Bauern ihren schweren Alltag wahrscheinlich nicht ertragen. Tatsache ist, dass Ayantu Gitessa, eine Mutter von vier Kindern, den Kaffee bitter braucht.

 

«Ohne Kaffee könnten wir nichts kaufen. Weder Kleidung noch Medizin noch Schulsachen.» Pro Jahr verkauft sie je nach Ernte 200 bis 400 Kilogramm Kaffeekirschen an die örtliche Kooperative. Ausser Kaffee produziert die Familie bislang nur Mais und den brauchen sie für die tägliche Ernährung. «Deshalb bin ich froh, dass Menschen für Menschen uns hilft, unser Einkommen mit dem Kaffee zu sichern.»

 

Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe unterrichtet die Bauern in Abaya in verbesserten Anbaumethoden. Was aber neben den Schulungen im Dorf Kelaltu einen unmittelbaren und erstaunlichen Gewinn brachte, ist ein Neubau, der nicht unbedingt einen Architekturpreis gewinnen würde: Das neue Lagerhaus der landwirtschaftlichen Kooperative. Betonboden, Betonpfeiler, lokal produzierte Mauersteine, ein Dach aus Wellblech – fertig. Keine Fenster, die Türen aus billigem Stahl, von einem einheimischen Schlosser zusammengeschweisst. Umgerechnet kostete die Halle lediglich 28’000 Franken.

Kaffeelagerhaus in Abaya | Stiftung Menschen für Menschen

Die neue Lagerhalle für Kaffee in Kelaltu.

Kaffeelager in Abaya | Stiftung Menschen für Menschen

Die Konstruktion ist einfach und zweckmässig.

Frauen beim Sortieren von Kaffeebohnen | Stiftung Menschen für Menschen

Frauen aus Kelaltu sortieren Kaffeebohnen.

Kaffee-Kooperative in Kelaltu | Stiftung Menschen für Menschen

Mitglieder der Genossenschaft im neuen Lagerhaus.

Kaffebäuerin in Lagerhalle | Stiftung Menschen für Menschen

Ayantu Gitessa im Lagerhaus der Genossenschaft.

Äthiopische Kaffeetasse | Stiftung Menschen für Menschen

In Äthiopien trinkt man den Kaffee aus kleinen Tassen.

Genossenschafter trinkt Kaffee | Stiftung Menschen für Menschen

Bei einem Treffen der Genossenschaft geniessen Mitglieder eine Tasse ihres eigenen Kaffees.

Kaffeesträuche in Äthiopien | Stiftung Menschen für Menschen

Typische Landwirtschaft in Abaya: Kaffeestrauch (Vordergrund), falsche Banane und ein Baum, der Schatten spendet.

Kafeebäuerin Ayantu Gitessa | Stiftung Menschen für Menschen

Kafeebäuerin Ayantu Gitessa.

Giesskannen in Baumschule | Stiftung Menschen für Menschen

In der Pflanzschule von Menschen für Menschen.

Kaaffeesträucher in Baumschule | Stiftung Menschen für Menschen

Hier werden Tausende Kaffeepflänzchen gezogen.

Sortierung von Kaffeebohnen

Bohne für Bohne: Der Schatz der Kaffeebauern von Kelaltu.

Der «Return on Investment» war bereits wenige Monate nach Inbetriebnahme erreicht. «Seit wir die Halle haben, können wir unseren Kaffee ohne Qualitätsverluste lagern», erklärt Ayantu Gitessa. Vor Projektbeginn ist sie in das Leitungsgremium der landwirtschaftlichen Kooperative gewählt worden, zusammen mit zwei weiteren Frauen – eine Forderung von Menschen für Menschen, denn bislang sassen dort nur ein halbes Dutzend Männer; die Äthiopienhilfe will die Mitbestimmung von Frauen erhöhen. «Früher hatten wir nur eine einfache Lagerhalle mit Wänden aus Wellblech», erklärt Ayantu Gitessa. Die Sonne knallte auf die Blechhütte und heizte sie auf wie ein Treibhaus – die Kaffeebohnen verloren an Feuchtigkeit und Gewicht, wurden vom Dachverband der Genossenschaften zumeist als minderwertige Qualität taxiert und zu einem schlechten Preis abgenommen. Mit jedem Tag Lagerzeit verloren die 879 Mitglieder-Familien an Geld.

 

Dank des neuen Lagers kann die Kooperative von den Mitgliedern mehr Kaffee abnehmen. Die Bohnen behalten den idealen Feuchtigkeitsgehalt von elf bis zwölf Prozent und die Genossenschaft kann ohne Qualitätsverlust mit dem Weiterverkauf warten, bis die Preise gut sind. Zum Jahreswechsel 2019 wurde die erste Ernte in der neuen Halle gelagert. Der Nutzen für die Kaffeebauern ist enorm:

 

  • Statt 84 Tonnen Kaffeebohnen konnte die Kooperative den Bauern 94 Tonnen abnehmen
  • Im Vorjahr waren nur 10 Tonnen erste Qualität. Nun konnte die Kooperative 50 Tonnen der höchsten Qualitätsstufe an den Genossenschafts-Dachverband absetzen.
  • Allerdings sind die Preisschwankungen beim Kaffee von Jahr zu Jahr sehr gross. Der Preis für Kaffee der ersten Qualität sank 2019 um ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Noch schlimmer war der Preisverfall bei der zweiten Güteklasse, dort betrug er 37 Prozent. Aber die Bauern von Kelaltu konnten den Preisverfall ausgleichen, durch die grössere verkaufte Menge und die anteilsmässig grössere Menge an erster Qualität – also dank der neuen Lagerhalle. Ihr Umsatz lag mit 290’000 Franken trotz des immensen Preisverfalls nur geringfügig unter dem Vorjahresniveau von 302’000 Franken.
  • Wären die Preise gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben, wäre der Umsatz um 38 Prozent oder umgerechnet rund 110’000 Franken gestiegen.
  • Allein an der Relation der Baukosten von 28’000 Franken zu den Umsätzen sieht man, wie sinnvoll und segensreich die Investition ist, die von der Genossenschaft der armen Bauern aus Kapitalmangel nicht zu stemmen gewesen wäre.

 

Wenn die Qualität des Kaffees hoch ist, kann der Genossenschafts-Dachverband ihn ins Ausland exportieren. Dann darf sich Ayantu Gitessa und die anderen 879 Mitglieder-Familien in Kelaltu auf eine Dividende freuen, die ihren Verdienst mit dem Kaffee immerhin um zehn Prozent erhöht. Daneben sorgt Menschen für Menschen in Pflanzschulen für neue leistungsfähige Kaffee-Setzlinge und unterrichtet die Bauern, wie sie ihre Erträge steigern können.

 

Viele Bauern in der Genossenschaft erhalten aber auch Mikrokredite von der Äthiopienhilfe. Das Ziel ist, dass sie nicht mehr völlig vom Weltmarktpreis des Kaffees abhängig sind und für ihre Familien das ganze Jahr über Nahrungsmittelsicherheit haben. Auch Ayantu Gitessa konnte mit einem Mikrokredit gerade zwei junge Ochsen erwerben. Deren Mast und Wiederverkauf auf lokalen städtischen Märkten ist lukrativ. In drei Monaten kann Ayantu Gitessa mit der Mast soviel verdienen wie mit ihrem Kaffee in einem Jahr. «Ich habe vier Kinder», sagt die Bäuern. «Es ist beruhigend, nun noch ein zweites Standbein zu haben.»

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