Die Stiftung Menschen für Menschen Schweiz macht es sich zur Aufgabe, auf dem Land wie in den Städten Verelend- ung aufzuhalten und Lebenschancen aufzubauen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie die Menschen in Äthiopien unterstützen können. Hier finden Sie alle Spendenmöglichkeiten mit konkreten Beispielen.
Wiege der Menschheit, Herkunftsland des Kaffees, reiche Kultur und arme Familien. Über 100 Millionen Menschen leben hier: Auf Besuch in einem widersprüchlichen Land.
Die Hälfte der Familien in den äthiopischen Landbezirken Gelana und Abaya hungern. Menschen für Menschen Schweiz will ihr Leben zum Besseren wenden. Doch wie lassen sich die Spenden möglichst wirksam einsetzen? Um diese Frage zu beantworten und Fehlplanungen zu vermeiden, führte die Stiftung zunächst eine Marktstudie durch. Sie zeigt die effizientesten Wege der Entwicklung für die entlegenen Bezirke auf – und wird zu einer Art Gebrauchsanweisung für die jetzt startenden Hilfsmassnahmen.
Von den historisch niedrigen Zinsen an den Kreditmärkten der Welt wissen die armen Bauern aus den Bezirken Gelana und Abaya im Süden des Landes nichts. Banken gibt es nur in den Städten, und die Bauern bekommen dort mangels Sicherheiten keinen Kredit. Wenn ein Kind krank wird und medizinische Hilfe braucht, müssen sie deshalb bei privaten Verleihern Geld borgen – zu Zinsen von mindestens 100 Prozent!
Ihre Felder bewirtschaften die Menschen in den abgelegenen Bezirken mit archaischen Methoden. Deshalb sind die Erträge klein. Die Hälfte der Bevölkerung hat sechs Monate im Jahr nicht genug zu essen. In den Monaten vor der nächsten Ernte sind in vielen Familien die Vorräte aufgebraucht. Um zu überleben, müssen sie Geld leihen, um sich Lebensmittel kaufen zu können.
Durch die unanständigen Wucherzinsen geraten viele armen Familien in die Schuldenfalle – und müssen ihre Heimat verlassen: Um ihre Schulden abzuzahlen, ziehen Männer in die Städte, in der Hoffnung auf bezahlte Jobs. Manchmal verlangen die lokalen Kredithaie Land und Vieh, wenn die Schuldner den Kredit nicht bedienen können – so bleibt den Familien nur der Wegzug in die Elendsviertel der Städte.
Dieses Schicksal möchte Menschen für Menschen Schweiz ihnen unbedingt ersparen. Zusammen mit der Partnerorganisation „Ethio Wetlands and Natural Resources Association” (EWNRA) startet die Stiftung zum Jahreswechsel ein grossangelegtes Hilfsprojekt für rund 50‘000 Menschen. Ziel ist es, die Grundbedürfnisse der Bauernfamilien wie Ernährung und Gesundheit zu befriedigen – und sie aus der Abhängigkeit privater Kredite zu befreien.
Zunächst sollen die Menschen ihre Produktion steigern. Doch das allein reicht nicht aus. Die Bauern müssen einen grösseren Schritt machen als nur für den Eigenbedarf zu produzieren. Sie sollen sich in Spargruppen und Kooperativen organisieren: So schaffen sie Marktzugänge, verbessern die Wertschöpfung ihrer Produkte und befreien sich aus dem Würgegriff der Wucherkredite.
„Für uns stellte sich die Frage, mit welchen landwirtschaftlichen Produkten sich die besten Ernten und finanziellen Erträge erzielen lassen“, erklärt Dr. Martin Grunder, Entwicklungsexperte von Menschen für Menschen Schweiz in Äthiopien. „Um die uns anvertrauten Spenden möglichst effizient einzusetzen, wollen wir dort die Schwerpunkte legen, wo wir am meisten Einkommen für die armen Bauern erreichen.“ Deshalb wurde ein unabhängiges Consulting-Büro aus Addis Abeba mit einer Studie der Marktbedingungen und potentieller Wertschöpfungs-Ketten in Gelana und Abaya beauftragt. Im September betrieben die Experten zwei Wochen lang Feldforschung. Vor Ort interviewten sie Behördenvertreter, Ortsvorsteher, erfolgreiche Bauern und Ältestenräte. Ihre Ergebnisse zu Potentialen und Gefahren für die lokale Wirtschaft und Strategien, wie ein möglichst grosser Teil der Wertschöpfung bei den lokalen Bauern bleibt, präsentierten sie nun in einem rund hundertseitigen Bericht. „Aufgrund dieser Studie ist es nun möglich, marktfähige Produktionszweige zu identifizieren“, sagt Martin Grunder: Zahlreiche viel versprechende Wertschöpfungsketten konnten identifiziert werden.
Beispielsweise empfiehlt die Studie den Ausbau der Imkerei. Honig ist ein sehr begehrter Rohstoff für die Herstellung von dem in Äthiopien weit verbreiteten Honigwein. Eine andere Möglichkeit ist die Professionalisierung der Mast. Bislang wird das Vieh einfach auf die übernutzten Weiden getrieben. Die mageren Tiere erreichen deshalb auf den Märkten keine guten Preise. Künftig sollten Gruppen von Bauern beim Anbau von Futterpflanzen unterstützt werden und diese neuen Anbauprodukte an die Viehbauern verkaufen, empfiehlt die Marktstudie. Die Mäster sollen sich in Gruppen organisieren, um ihr Vieh gemeinsam an grosse Abnehmer verkaufen zu können – etwa an Händler aus der Hauptstadt oder die Universitätskantinen der nächstgelegenen Provinzstädte.
Ein wichtiger Pfeiler für die Entwicklungsarbeit sei auch der Gemüseanbau überall dort, wo sich Äcker mit Hilfe von Quellen ganzjährig bewässern lassen. So rechnet die Studie vor, dass in einer Saison auf einem bewässerten Feld und bei fachmännischer Bewirtschaftung pro Hektar 20 Tonnen Zwiebeln geerntet werden können: „Wenn 20 Bauersfrauen ein Feld als Kooperative gemeinsam bewirtschaften, bleibt jeder Frau ein Erlös von 6000 Birr pro Ernte.“ Das sind umgerechnet rund 270 Franken – viel Geld in den abgelegenen Bezirken: Die Summe ist vergleichbar dem Jahreseinkommen eines ungelernten Arbeiters.
„Gemeinsam sind wir stärker“: Dieser Gedanke zieht sich durch die gesamte Marktstudie. Was der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Mitteleuropa schon im 19. Jahrhundert erkannte, gilt auch für die armen Bauern Äthiopiens: „Wenn sie sich zusammenschliessen, kommen sie leichter an landwirtschaftliche Inputs, Marktzugänge und Kredite“, erklärt Martin Grunder. „Wir werden sie deshalb nicht nur mit Saatgut und landwirtschaftlichen Trainings unterstützen, sondern einen Schwerpunkt auch auf die Bildung von Kooperativen legen.“
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