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Ernährungssicherung durch Kartoffeln: Die Sattmacher

Kartoffeln eignen sich gut zur Ernährungssicherung. Bislang war die Kartoffel in den Landdistrikten Abaya und Gelana jedoch unbekannt. Das will Menschen für Menschen Schweiz jetzt ändern. Erste Versuche mit dem Anbau der Feldfrucht sind viel versprechend. Die gelben Knollen können die Ernährungssituation in den entlegenen Distrikten, in denen die durchschnittlichen Familien die Hälfte des Jahres nicht ausreichend zu essen haben, wesentlich verbessern.

Kartoffel als Sattmacher

Pro Kartoffelknolle können im Schnitt 20 Kartoffeln geerntet werden

Welche Bedeutung die Kartoffel für die Ernährung haben kann, erfuhr Irland Mitte des 19. Jahrhunderts auf katastrophale Weise. Dort waren die Verhältnisse damals in vielem ganz ähnlich wie heute in den äthiopischen Landdistrikten Abaya und Gelana: Die Menschen heirateten früh und bekamen viele Kinder; doch das Ackerland wuchs mit der Bevölkerung nicht mit.

Dass die Menschen in Irland über Jahrzehnte nicht hungerten, lag allein an der Kartoffel. Mit dieser Feldfrucht konnten auch auf geringer Fläche so grosse Erträge erzielt werden, dass die Kleinbauern alle Mägen der heimischen Kinderschar füllen konnten. Doch als Mitte des 19. Jahrhunderts ein Pilz über mehrere Jahre hinweg die Kartoffelernte vernichtete, erlebte Irland eine riesige Hungerkatastrophe. Rund zwölf Prozent der gesamten Bevölkerung Irlands starben an Auszehrung – rund eine Million Menschen. Und eineinhalb Millionen Iren wurden zu Hungerflüchtlingen – sie wanderten nach Australien und vor allem nach Nordamerika aus.

Bereits hundert Jahre zuvor versuchte Friedrich II. von Preussen mühevoll, in seinem Königreich die Kartoffel einzuführen – doch die Bauern blieben skeptisch gegenüber der unbekannten Knolle aus Südamerika. Also erliess Friedrich seine sogenannten Kartoffelbefehle, um den „Unterthanen den Nutzen dieses Erdgewächses begreiflich zu machen“. Er wies Pastoren an, über den Anbau zu predigen und es heisst, dass er Felder von seinen Soldaten bewachen liess – eine List, damit sich herumsprach, wie wertvoll die neue Kulturpflanze sei. So wurden die Bauern animiert, die Knollen nachts zu stehlen und im heimischen Garten anzupflanzen. In der Schweiz wird die Kartoffel bereits seit rund 300 Jahren angebaut. An den Talhängen fand sie ähnlich gute Wachstumsbedingungen wie im Herkunftsland Peru. Bald ging sie als Rohstoff für die Rösti in die traditionelle Küche ein.

Bauer zeigt Kartoffel Ernte

Bauer Kebede freut sich über die erste vielversprechende Ernte

Die Menschen in Gelana und Abaya wussten bislang nichts von schmackhaften Zubereitungsformen der Erdäpfel und davon, wie nahrhaft die gelben Knollen sind: Sie waren in den Distrikten schlicht unbekannt. Doch im Mai gewann Menschen für Menschen in seinem neuen Projektgebiet zehn Bauern für einen Probe-Anbau. Einer von ihnen ist der 52-jährige Kebede Woldharegai aus dem Dorf Hase Gola. Die Landwirtschaftsberater im Projekt stellten ihm und einigen Helfern 100 Kilogramm Kartoffeln zur Verfügung und schulten sie im Anbau – unter der Bedingung, dass die Hälfte der Ernte notleidenden Nachbarn zur Verfügung gestellt wird. Im Mai setzte die Gruppe um Bauer Kebede die Knollen in die Erde und wässerte sie jeden Tag. Im August zeigte sich ein höchst zufriedenstellendes Ergebnis: Pro Knolle konnten im Schnitt 20 stattliche Kartoffeln geerntet werden.

„Unser Land ist fruchtbar, aber wir haben nur kleine Parzellen“, sagt Kebede Woldharegai. Manche Familien in Abaya haben nur 0,25 Hektar Land zur Verfügung – das entspricht lediglich dem Drittel eines Fussballfeldes. „Bislang hatten wir jedes Jahr viele Monate, in denen wir nicht genug zu essen hatten, aber die Kartoffeln bringen uns Hoffnung,“ sagt Kebede. Denn mit den Knollen lassen sich auch auf kleinen Flächen grosse Ernten erzielen – und mehr Mahlzeiten gewinnen, als wenn das traditionelle Getreide angebaut wird. „Ich bin stolz darauf, jetzt anderen Bauern den Anbau beizubringen und so ihren Familien zu helfen“, betont Kebede.

„Aus 100 Kilogramm Setzlingen machte die Bauerngruppe eine Ernte von 2,4 Tonnen. Das Potential ist riesig!“, freut sich Entwicklungsexperte Amanuel Grunder von Menschen für Menschen Schweiz. „Die lokale Landwirtschaftsbehörde ist beeindruckt, die Regierungsleute wollen nun die Idee aufgreifen und dabei helfen, die Kartoffel überall im Distrikt zu verbreiten.“

Grunder weist auf einen weiteren Segen der Kartoffel für die armen Familien hin: „Auf den Märkten wird das Kilogramm für rund 60 Rappen gehandelt.“ Die Bauern hätten gewöhnlich wenig Gelegenheit, an Bargeld zu kommen, um ihre Ausgaben zu tätigen, etwa um Batterien, Seife oder Schulbedarf für die Kinder einzukaufen. „In einem Land, in dem für einfache Arbeiter Tagelöhne von etwa 1,50 Franken üblich sind, können die Bauern durch den Verkauf der Kartoffeln relativ viel Geld verdienen und zurücklegen. In Notzeiten brauchen sie dann nicht mehr zu hungern, sondern können Lebensmittel kaufen.“

Mit Ihrer Spende leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherung in Äthiopien.

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