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Entwicklung ist ein zartes Pflänzchen

 

Mutter Barite mit ihrer Tochter Belisima

Gemeinsam geht es leichter: Barite mit Belisima. Im Hintergrund die Beete mit Kaffee

AM ANFANG WAR DIE LIEBE. Oder das, was man dafür hält, wenn man so jung ist wie Barite: Mit 16 Jahren wurde sie schwanger. Mit 17 heiratete sie ihren Freund, doch die Zweisamkeit währte nur kurz.

 

Abaya ist ein ländlicher Bezirk ohne Industrie und Handel. Der junge Ehemann Berhanu sah nur beim Militär eine Chance. Er wurde in weit entfernte Garnisonen Äthiopiens gesteckt, einem Land, das 27 mal so gross ist wie die Schweiz. In fünf Jahren war Berhanu nur zweimal auf Heimaturlaub. Sein Sold ist klein, Geld schickt er kaum nach Hause.

Also muss Barite allein damit klarkommen, wie sie ihre Tochter Belisima versorgt. Das ist schwer ohne Ausbildung. Die Schule brach sie ab, als ihre Tochter auf die Welt kam. Eine alleinerziehende Mutter ohne Schulabschluss hat in dem Landbezirk praktisch keine Chance. Sie kann sich in ihrem Dorf Shara lediglich als Tagelöhnerin andienen. Dann verdient sie beim Unkrautjäten oder der Kaffee-Ernte umgerechnet einen Franken am Tag. Das ist auch in Äthiopien nicht viel Geld. Mit einem Tagelohn kann sie beispielsweise ein Kilogramm Kartoffeln kaufen, ein Pfund Zwiebeln oder 1,25 Liter Milch. Natürlich könnte sie Belisima an die Hand nehmen und nach Dilla wandern, der Provinzhauptstadt. Oder noch weiterziehen, um in der Hauptstadt Addis Abeba ihr Glück zu versuchen, so wie Abertausende. Doch Barite hat Angst, ihre Heimat zu verlassen: «Was würde mich erwarten?» Wahrscheinlich lediglich die Hilfsarbeit auf Hochhaus-Baustellen. Der Tagelohn dort: ebenfalls nur einen Franken.

Ein Beet voller Kaffeesetzlinge

Arbeit in der Pflanzschule. Jeder Kaffeesetzling bringt dreieinhalb Rappen ein

Perspektivlosigkeit, die Verschwendung von Potenzial: Schicksale wie das von Barite sind eher die Regel als die Ausnahme in Äthiopien. In Abaya versucht Menschen für Menschen den jungen Leuten einen Ausweg zu bieten: Wir helfen ihnen dabei, sich in landwirtschaftlichen Kooperativen zu organisieren – ein Keimling der Entwicklung.

Schulungen, Startkapital und materielle Hilfen sorgen dafür, dass sie eigenes Geld verdienen. Das Ziel ist, dass sich die Stiftungsmitarbeiter nach wenigen Jahren zurückziehen und die Kooperativen auf eigenen Beinen stehen.

Im Dorf Shara hat Menschen für Menschen neun junge Männer und drei junge Frauen in einer Kooperative zusammengebracht. Die Mitglieder erhielten Saatgut und Schulungen, wie man effizient eine Pflanzschule für Kaffee betreibt. Gleich im ersten Jahr konnten sie 38’000 Setzlinge ziehen und für insgesamt rund 1300 Franken verkaufen. Im zweiten Jahr verkauften sie Setzlinge für 1800 Franken – beträchtliche Summen im Vergleich zu den Löhnen für Hilfsarbeiter.

Kaffee-Kooperative mit Mastvieh

Ochsenstark: Mit dem Erlös aus dem Setzling-Verkauf investierte die Gruppe in Mastvieh

«Im ersten Jahr haben wir das ganze Geld geschwisterlich geteilt und ausbezahlt», berichtet Barite. Jede und jeder bekam rund 110 Franken. «Im zweiten Jahr investierten wir den Erlös zum Teil.» Für umgerechnet 500 Franken kaufte die Gruppe zwei Ochsen. «Wir mästen sie und verkaufen sie in drei Monaten für 700 Franken», freut sich Barite. Drei Tage die Woche arbeiten die Mitglieder in der Pflanzschule. So haben sie es vereinbart, damit allen genug Zeit bleibt, um die eigene kleine Landwirtschaft zu betreiben oder entlohnte Gelegenheitsarbeit anzunehmen. «Aber wir kommen fast jeden Tag zusammen, schauen zumindest kurz an unserer Pflanzschule vorbei», sagt Barite. «Weil es uns Freude macht.» Mit ihrem Verdienst aus der Kooperative habe sie Essen und Kleidung für ihre Tochter gekauft. Aber sie habe Teile davon auch gewinnbringend angelegt, erzählt sie stolz: «Ich konnte ein Waldstück pachten und dort die Kaffeesträucher abernten.» Das brachte ihr einen weiteren Gewinn von rund 70 Franken.

Vor einigen Monaten hatte sie Malaria. Früher hätte sie sich kaum behandeln lassen können: Medikamente und das Motorradtaxi zur Krankenstation verschlingen den Wochenlohn eines Tagelöhners. «Aber jetzt habe ich mir das einfach geleistet», erzählt Barite. Die Kooperative will weiter diversifizieren, neben Ochsen sollen auch Ziegen und Schafe gemästet werden. Und Barite will mit dem Erlös der kommenden Saison einen Kleinladen aufmachen. «Zucker, Salz, Speiseöl, Getreide, Seife: Was man halt so braucht», sagt sie und lacht stolz. So werden Kaffeesetzlinge zum zarten Pflänzchen Hoffnung.


WARUM WIR HELFEN

In den Bezirken Abaya und Gelana gibt es kaum Jobchancen für junge Leute. Viele Kinder haben die Hälfte des Jahres nicht genug zu essen. Von hier, der einstigen Provinz Kaffa, eroberte die Kaffeebohne einst die ganze Welt. Kaffee ist «Cash Crop» – eine der wenigen Möglichkeiten für die Familien, über Ernte und Verkauf an Bargeld zu kommen. Entsprechend gefragt bei den Bauern sind leistungsfähige Kaffeepflänzlinge.

Zahlen und Fakten über Kaffee finden Sie in dem folgenden Bericht:

Kaffee in Zahlen

WAS WIR TUN

  • Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und Vermarktung
  • Bildung und Förderung von Spargruppen und Kooperativen, gerade auch zur Förderung des Kaffee-Anbaus
  • Berufsbildung und Vergabe von Mikrokrediten, speziell für junge Leute und Mütter

 

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