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In diesem kleinen Zimmer lebt die Familie!

Der alleinerziehende Vater Abebe Girma lebt zusammen mit seinem Sohn Bereket und seiner Tochter Nardos.

Manchmal bekommt die Familie Essensreste von Nachbarn geschenkt.

Im Abebech Gobena Kindergarten erhalten die Kinder vor der Schule ein Zmorge, um gestärkt in den Tag zu starten.

Die Kinder geniessen das Morgenessen, das sie sonst selten erhalten würden.

Das Morgenessen hat einen besonders hohen Nährwert.

Nardos ist glücklich, dass Sie den Abebech Gobena-Kindergarten besuchen kann.

Eine Chance für Nardos

In Addis Abeba lebt die achtjährige Nardos mit ihrem Bruder und Vater in bitterster Armut. Die Mutter hat die Familie im Stich gelassen. Doch Nardos hat eine Eintrittskarte in eine bessere Zukunft erhalten: Sie besucht eine von Menschen für Menschen Schweiz finanzierte Schule. Dort erhält sie jeden Tag zu Essen – und das Wissen, das sie aus der Armut herausführen kann.

Als Abebe Girma eines Tages von der Arbeit zurückkam, war seine Frau nicht mehr da. Er fand nur seine beiden Kinder vor: Das Mädchen Nardos, damals vier Jahre alt und Söhnchen Bereket, nicht einmal ein Jahr alt.

Vier Jahre ist es her, dass die Mutter die Familie verliess. Sie stammt aus einem abgelegenen Dorf in der Provinz Wollo. „Möglicherweise ist sie dorthin zurück“, sagt Abebe. „Vielleicht zog sie in eine andere Stadt und fand eine Stelle als Hausangestellte.“ Vielleicht ist sie aus Mangel an Alternativen in die Prostitution abgerutscht, wie viele Frauen ohne Ausbildung in den Städten. Niemand weiss es in dem Armenviertel in Addis Abeba, in dem Abebe und seine Kinder leben.

Wie ist es zu begreifen, dass eine Mutter ihre beiden kleinen Kinder im Stich lässt? „Ich weiss es nicht“, sagt Abebe. Gab es Streit? „Ja. Wenn ich von der Arbeit kam und sie nicht alle Hausarbeit erledigt hatte, wurde ich wütend.“ Ich habe Ausdrücke benützt, die ich nicht hätte benutzen sollen.“ Ein Wort gab das andere. Sie sagte: „Eines Tage werde ich dich verlassen!“ Er sagte: „Mach es doch! Du wirst schon sehen, wie du ohne mein Geld klarkommst.“ Und dann tat sie es tatsächlich.

Private Dramen gibt es überall. In der Schweiz werden vier von zehn Ehen geschieden, auch ohne die tägliche Belastung von Mangel und Armut, die viele Beziehungen in Afrika zermürben und Partner in Resignation und Verzweiflung treiben. Aber in Europa bedeutet eine Trennung selten eine derartige Katastrophe wie für Abebe Girma und seine Kinder: Sie erlebten den freien Fall ins Elend.

„Weil ich mich um meine kleinen Kinder kümmern musste, konnte ich nicht mehr als Zwischenhändler arbeiten. Wenn ich nicht arbeite, verdiene ich kein Geld.“ Sozialhilfe gibt es nicht: „Vom Staat gibt es für uns keinen Rappen.“ Als seine Frau noch bei ihm war, stand er um zwei Uhr morgens auf und ging auf eine Brachfläche in der Stadt, wo ein informeller Grossmarkt stattfand: Kleinlaster brachten Gemüse aus weit entfernten Landesteilen. Abebe war einer der Zwischenhändler, die Ware sackweise abnahmen, und auf den Märkten in den Stadtvierteln weiterverkauften. Ein Geschäft, das Kapital verlangt. „Allein 100 Kilogramm Knoblauch kosten 4000 Birr“, erzählt Abebe, das sind umgerechnet 187 Franken. „Dazu kommen die Kosten für den Transport.“ Ständige Präsenz ist vonnöten, damit nicht andere Händler die Kunden wegschnappen. „Es war hoffnungslos, das Geschäft zu halten, mit den Kindern habe ich das nicht geschafft.“

Die täglichen Ausgaben frassen sein Grundkapital, so ging der Abstieg über die Jahre schleichend voran. Statt als Händler konnte er nur noch als sehr schlecht bezahlter Tagelöhner und Träger arbeiten – wenn er denn einen Auftrag bekam. Abebe verkaufte nacheinander die Couch, den Schrank, das Radio und das Bett und zog mit seinen Kindern in immer noch schlechtere Wohnungen.

Jetzt ist ihre Unterkunft etwa drei Quadratmeter gross – die mürbe Schaumstoffmatratze füllt den ganzen Boden aus bis auf eine Kochecke. Dort gibt es ein paar Plastikschalen und ein Stövchen aus Ton. Darüber kocht der Vater Tee und röstet in einer Pfanne eine Handvoll Bohnen und Maiskörner: Das ist  häufig die einzige Nahrung, die er seinen Kindern anbieten kann. An einem Seil über der Matratze hängen die wenigen Kleider. „Ich kann den Kindern nicht einmal Sachen zum Anziehen“, sagt der Vater. Das Kleid, das Nardos trägt, hat sie von einer Nachbarin geschenkt bekommen.

„Wo ist Mama? Wann kommt sie zurück?“, fragte das Mädchen früher oft. „Sie kommt bald wieder“, sagte dann der Vater. Brüderchen Bereket fragte nie – er kann sich gar nicht an die Mutter erinnern. Mittlerweile hat auch Nardos aufgehört, nach ihr zu fragen.

Für den Verschlag, in dem sie hausen, zahlt der Vater monatlich 500 Birr, rund 23 Franken. Mit grosser Mühe kratzt er das Geld zusammen: Er schlachtet nun Tiere für bessergestellte Familien. Er bekommt keinen Lohn, aber darf die Felle behalten und weiterverkaufen. Eine Ziegenhaut bringt 50 Birr (2,35 Franken), ein Ochsenfell bis zu 300 Birr (14 Franken). Selbst Fleisch zu kaufen ist undenkbar,  ein Kilogramm Rindfleisch kostet 140 Birr (6,67 Franken). Aber manchmal geben ihm die Auftraggeber etwas minderwertiges Fleisch oder von den Eingeweiden ab.

„Wenn ich gross bin, werde ich Ärztin“, sagt Nardos manchmal zu ihrem Vater, wenn sie in der Dunkelheit auf ihrer Matratze liegen. „Dann gehe ich in die Vereinigten Staaten.“ Die USA als  Sehnsuchtsland eines besseren Lebens: „Mit dem Geld, das ich dort verdiene, kaufe ich ein Flugzeug, und dann hole ich dich.“ Abebe berichtet es sichtlich gerührt und stolz.

Dass das Mädchen tatsächlich einmal Ärztin  wird, muss keine Träumerei bleiben. Denn auch für die Ärmsten gibt es in Äthiopien einen Weg, der aus der Armut herausführt. Dieser Weg führt immer über Schulen und Universitäten.

Die jungen Leute in Äthiopien unterliegen einem harten Konkurrenzkampf. Aufgrund der Überbevölkerung sind die Zugänge zu den weiterführenden Schulen und Hochschulen beschränkt. Nur die besten Schüler bekommen Studienplätze in den besonders begehrten Fächern wie Medizin.

Aber Nardos hat nun einen guten Startplatz in diesem Bildungs-Wettrennen erhalten: Vor einem Jahr wurde sie von Agohelma aufgenommen, einer Partnerorganisation von Menschen für Menschen Schweiz. In Addis Abeba betreibt Agohelma einen Kindergarten, eine Schule und ein Krankenhaus für Mütter und Kinder. In den Institutionen gilt: Nur wer besonders arm ist, bekommt Zugang. Agohelma und Menschen für Menschen wollen für diejenigen da sein, denen gewöhnlich die Tür verschlossen bleibt, weil sie für Schulutensilien oder Behandlungen nicht selbst bezahlen können.

Die Schweizer Äthiopienhilfe stattet das Krankenhaus mit Geräten, die Schule mit Lehrmaterial aus. Und Schweizer Spender finanzieren die tägliche Speisung der ärmsten Vorschulkinder. Jeden Morgen tischen die Betreuerinnen frische Milch auf und Energiekekse, eine Spezialnahrung mit hohem Nährwert.  Auch Nardos isst dort jeden Tag mit grossem Appetit.

Für die Kinder wird die Schule zu einer Gegenwelt. Zuhause haben sie keinen Platz zur Entfaltung. In der Schule gibt es dagegen Nahrhaftes für Körper und Geist, Raum für Spiel und neue Impulse. In der Bibliothek warten Hunderte von Büchern, um den Appetit auf Wissen zu stillen. Hausaufgabenhilfen am Nachmittag sorgen dafür, dass alle Schüler auf dem gleichen Stand bleiben, denn die Eltern zu Hause können häufig weder lesen noch schreiben und ihren Kindern deshalb nicht zur Seite stehen.  „Am Wochenende fragt mich Nardos immer, wann die Schule endlich wieder beginne“, erzählt Abebe. Seine Tochter lehnt sich während des Gesprächs an ihn, er streicht ihr über den Kopf. „Ich mag meine Freunde  dort, ich mag die Lehrerinnen“, sagt Nardos. „Und wir spielen Verstecken.“

Dann hüpft sie davon, so leicht und unbeschwert, wie nur Kinder hüpfen können.

 

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