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Lange Tage auf dem Tenn: Dreschen von Teff in Äthiopien

Im Stadion «dreschen» die Fussballspieler den Ball ins Tor; es gibt Zeitgenossen, die Phrasen «dreschen». Doch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist in den Hintergrund geraten, obwohl diese Arbeit so entscheidend für unser tägliches Brot ist: Beim Dreschen wird das Korn von Stroh und Spreu getrennt. In der Schweiz erledigen das riesige Maschinen, die Felder rasant rasieren. In Äthiopien dagegen sind Mähdrescher eine Ausnahme. Das Ernten und Dreschen ist eine Arbeit wie zu biblischen Zeiten.

Winzige Teff-Körner auf einer Handfläche

Teff – 3000 Körner wiegen ein Gramm

Mit Sicheln schneiden die Bauern in der Fogera-Ebene am Tanasee den Teff Büschel für Büschel. Teff? Ausserhalb Äthiopiens ist dieses Korn immer noch recht unbekannt, aber für die Äthiopier ist es das feinste aller Getreide. Eigentlich ein Süssgras, sind die Körner winzig wie Mohnsamen. Dreitausend Teff-Körner wiegen gerade mal ein Gramm. Mit nur einem Kilogramm Teff kann ein Acker gross wie ein Fussballfeld besät werden. Zum Vergleich: Bei Weizen bräuchte man Samen mit dem hundertfachen Gewicht. Man kann den Teff jahrelang lagern, und in regenfeuchter Erde braucht er nur 36 Stunden zum Keimen – so schnell keimt kein anderes Getreide. Diese Eigenschaften machten Teff prädestiniert für die halbnomadische Lebensweise früherer Gesellschaften: Wissenschaftler gehen davon aus, dass Teff in Äthiopien schon mindestens seit dreitausend Jahren angebaut wird.

Nach dem Schneiden werden die Teffhalme in mannhohen Haufen für einige Wochen gelagert. Jetzt ist es Zeit, das Tenn vorzubereiten. Die Bauern in einem Weiler arbeiten zusammen. Sie hacken auf einer ebenen Fläche alle Pflanzen heraus. Sie wässern den Lehmboden, dann lassen sie darauf Rinder im Kreis gehen, um ihn zu verdichten. Auch gehört zu den Vorbereitungen des Dreschplatzes, dass die Erde mit Kuhdung vermischt wird – der Dung bindet Staub.

Einige Tage später beginnt das Dreschen auf dem geglätteten und nun trockenen Tenn: Die Bauern leihen sich ihr Vieh gegenseitig. Viele Stunden lassen sie es über immer neu ausgelegte Teffbüschel gehen. Auch Familienmitglieder gehen im Kreis. Hufe und Fusssohlen lösen die winzigen Körner aus den Spelzen. Mit hölzernen Heugabeln schütteln die Bauern das Stroh auf und schichten es dann rund um das Tenn, nun liegen nur noch Teff und Spelzen auf dem Platz.

Das anschliessende Worfeln, also das Trennen von Korn und Spreu, ist eine seit tausenden von Jahren unveränderte Technik: Mit einer Art Schaufel aus Flechtwerk werfen die Bauern die Mischung in die Luft. So klein die Körner auch sind, durch die Schwerkraft fallen sie auf das Tenn zurück. Die Spelzen und Strohreste jedoch werden vom Wind seitlich weggetragen.

Zum Schluss wird der Teff noch von Hand von den letzten Spreuresten getrennt und mit kleinen, selbstgemachten Bürsten und Wedeln von Staub befreit. Zwar geht bei diesem traditionellen Dreschen bis zu 30 Prozent der Ernte verloren, aber Maschinen haben sich noch nicht durchgesetzt – sie sind zu teuer in Anschaffung und Wartung, brauchen teuren Treibstoff oder Elektrizität, die es vielerorts noch nicht gibt.

Deshalb ist Teff in Äthiopien ein sehr arbeitsintensives Getreide. Es braucht viele Hände und viele Stunden Arbeit, bis er auf dem Markt verkauft werden kann. Dann aber bringt Teff gute Preise als vielgefragter Grundstoff für die tägliche Injerra. Gerade für die armen Bauernfamilien ist Teff oft wichtigstes „Cash Crop“. Sie verkaufen die winzigen Körner und kaufen dafür Mais und Weizen ein, Kleidung und Schulbedarf für die Kinder.

Teff-Ernte in Äthiopien: Ein Haufen Arbeit

Hufe und Fusssohlen trennen Körner von Stroh und Spelzen

Das Tenn wird ausgefegt. Am Rand türmt sich das ausgedroschene Stroh

Blowin´in the wind: Beim Worfeln werden Körner und Spreu getrennt

Im Herbst 2020 wurden die Felder der Bauern in der Ebene von Fogera von Hochwassern überflutet. Damit sie in der Saison doch noch ernten konnten und um sie vor Hunger zu bewahren, half Menschen für Menschen mit dem schnellwachsenden Teff. 880 Familien bekamen je sechs Kilogramm Samen und Dünger als Nothilfe. Einige Bauern erzielten darauf Ernten von bis zu 600 Kilogramm Teff – sie verhundertfachten das Saatgut. Im Schnitt brachten die Bauern 350 Kilogramm Teff ein.

Im folgenden Beitrag erfahren Sie mehr über die Esskultur in Äthiopien:

Äthiopische Küche