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Corona-Krise: «Ich kann kaum schlafen vor Sorge»

Kasanesh Fantaye

Kasanesh Fantaye: «Nach meiner Ausbildung möchte ich in einer Kinderkrippe arbeiten.»

Kasanesh Fantaye, 29, alleinerziehende Mutter dreier Kinder, ist Auszubildende zur Köchin und Hauswirtschafterin. In dieses Berufsbildungsprogramm von Menschen für Menschen werden nur besonders arme Frauen aufgenommen. Nun musste der Unterricht wegen Covid-19 unterbrochen werden. Wie geht es den Müttern jetzt – und wie geht es weiter? Kasanesh Fantaye berichtet über ihre Situation in der Corona-Krise.

Die grösste Enttäuschung meines Lebens? Mein Mann. Drei Kinder haben wir zusammen. Felege, meine Älteste, ist zwölf. Mein Sohn Melaku ist acht Jahre alt und meine Jüngste Emebet fünf. Mein Mann ist Fernfahrer, oft war er wochenlang nicht zu Hause. Eines Tages erfuhr ich, dass er noch eine andere Frau und Kinder hat. Natürlich machte ich ihm Vorwürfe. Er ging und kam nicht wieder.

Ich bringe uns als Wäscherin durch. Wir sind zu fünft, auch meine Mutter lebt bei uns. Schon in gewöhnlichen Zeiten ist es nicht leicht, genug Geld für Essen und Miete zu verdienen. Wir wohnen zusammen in einem Raum auf zwölf Quadratmetern. Dafür muss ich monatlich 600 Birr (umgerechnet 17 Franken) Miete bezahlen.

Kinderbetreuerin mit Kleinkind

Der Traum vieler Absolventinnen: die Arbeit in einer Kinderkrippe.

Seit der Corona-Krise bekomme ich kaum noch Arbeit. Die Menschen haben Angst, dass ich das Virus in ihre Häuser bringe. Auch haben sie wegen der Krise oft keine Jobs und deshalb Zeit, selbst zu waschen.

Der Vermieter war bei uns, er schrie und schimpfte, weil ich nur die Hälfte bezahlen konnte. Er ist selbst arm und lebt von dem, was drei Familien ihm an Miete bezahlen. Aber was soll ich tun? Es reicht ja nicht einmal fürs Essen. Wir essen fast nur Brot, sonst nichts, und das Brot ist nicht genug. Manchmal gehen wir ohne Abendessen zu Bett.

Seit dem Beginn der Corona-Krise schlafe ich sehr schlecht, es sind zu viele Sorgen, die mir durch den Kopf gehen. Deshalb war es eine Erleichterung, dass Menschen für Menschen unsere Monatspauschale von 600 Birr weiterbezahlt. Eigentlich ist sie als Kompensation für den Erwerbsausfall gedacht, weil wir ja nicht arbeiten können während des Unterrichts. Aufgrund des verhängten Corona-Ausnahmezustandes ist die Ausbildung aber jetzt unterbrochen. Theoretisch hätten wir also wieder mehr Zeit zu arbeiten. Viele von uns putzen oder backen für andere Familien – aber viele Jobs bekommen wir nicht mehr, weil die Leute sich vor dem Virus fürchten.

Ich werde jetzt meine Miete bezahlen und versuchen, mit dem wenigen Geld, das ich noch habe, Kleinhandel zu treiben: Wenn man auf dem Markt grössere Mengen an Waren des täglichen Bedarfs einkauft, kann man sie in Kleinportionen in der Nachbarschaft mit geringem Profit weiterverkaufen – uns sichert der kleine Verdienst das Überleben in der Corona-Zeit.

Cash-Verteilung in Addis Abeba

Monatlich versammeln sich die Auszubildenden, um ihre Corona-Nothilfe zu empfangen.

Meine einzige Hoffnung ist, dass die Ausbildung bald weitergehen kann. Wir sehen ja, dass frühere Absolventinnen dank des Diploms gut verdienen, teilweise 2000 Birr (56 Franken) im Monat. Manche sogar mehr! Wir lernen im Kurs auch Säuglingspflege und Kleinkinderbetreuung, viele der Absolventinnen arbeiten in Krippen: Das will ich auch gerne machen.

Aktuell lassen sich in unserem halbjährigen Programm 144 besonders arme Frauen zu Köchinnen und Hauswirtschafterinnen ausbilden. Der Unterricht findet halbtags statt, damit die Teilnehmerinnen auch weiter einer Erwerbsarbeit nachgehen können: Viele schlagen sich als Tagelöhnerinnen und mit Gelegenheitsjobs als Wäscherinnen oder Haushaltshilfen durch, meist für Löhne von nur einem Franken pro Tag. Während des Unterrichts haben sie einen Verdienstausfall, den Menschen für Menschen mit 600 Birr im Monat kompensiert, umgerechnet etwa 17 Franken.  Aufgrund der Corona-Krise und des von der Regierung verhängten Ausnahmezustandes muss die Ausbildung zwischenzeitlich unterbrochen werden. Menschen für Menschen zahlt die monatliche Pauschale für den Erwerbsausfall weiter aus – als Nothilfe: Für viele der Auszubildenden ist sie jetzt ihr einziges Einkommen.

Helfen Sie den ärmsten Familien in Äthiopien. Jetzt in der Corona-Krise und danach:

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