Die Stiftung Menschen für Menschen Schweiz macht es sich zur Aufgabe, auf dem Land wie in den Städten Verelend- ung aufzuhalten und Lebenschancen aufzubauen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie die Menschen in Äthiopien unterstützen können. Hier finden Sie alle Spendenmöglichkeiten mit konkreten Beispielen.
Wiege der Menschheit, Herkunftsland des Kaffees, reiche Kultur und arme Familien. Über 100 Millionen Menschen leben hier: Auf Besuch in einem widersprüchlichen Land.
Was der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Mitteleuropa schon im 19. Jahrhundert erkannte, gilt auch für die Ärmsten in Äthiopien heute: Gemeinsam können sie sich aus der Armut herausarbeiten. Deshalb unterstützt Menschen für Menschen Schweiz sie dabei, sich in Genossenschaften zu organisieren – und sich aus der Schuldenfalle zu befreien.
Fikre Demeke bekommt die Chance auf ein besseres Leben.
Die Bauern hatten eine Missernte erlitten. Kein Zweifel, die Familien würden hungern. Doch der Bürgermeister im Dorf hatte eine Idee: Wie wäre es, wenn vermögende Bauern den weniger bemittelten Familien mit Krediten wieder auf die Beine helfen würden? So geschah es: Die Bedürftigen bekamen Lebensmittel gegen Schuldscheine mit geringem Zins und sie konnten neues Saatgut kaufen. Der „Brodverein“ im Dorf Weyerbusch im deutschen Westerwald, gegründet 1846, war der erste Schritt zu modernen Genossenschaftsbanken – die zunächst nichts anderes als Selbsthilfe-Organisationen waren. Untrennbar sind sie mit dem Namen des Bürgermeisters verbunden. Er hiess Friedrich Wilhelm Raiffeisen.
Seit der Gründung des „Brodvereins“ vor 171 Jahren haben Kooperativen auch in der Schweiz geholfen, die Armut der Bauern zu besiegen. Die Zusammenarbeit unter Gleichen ist auch in Zukunft ein gutes Werkzeug, um Entwicklung anzustossen: Darauf verweist der „Internationale Tag der Genossenschaften“, den die Vereinten Nationen am 1. Juli feiern.
Beispiel Äthiopien: Dort erleiden die armen Familien immer noch das gleiche Schicksal wie einst die Bauern von Weyersbusch vor Gründung des „Brodvereins“. Sie kommen nur zu empörend ungerechten Wucherzinsen an Geld. Die sechsfache Mutter Fikre Demeke aus dem Landkreis Abaya, einem Projektgebiet von Menschen für Menschen Schweiz, steckt deshalb in der Schuldenfalle.
Fikre röstet Mais. Die Hälfte ihres Verdiensts geht an den Geldverleiher.
Vor einem Jahr stürzte ihr Mann beim Ernten von Avocado sechs Meter tief von einem Baum. „Seit dem Sturz hat er starke Rückenschmerzen und kann nicht mehr auf dem Feld arbeiten“, erzählt Fikre Demeke. „Deshalb liegt die Last ganz auf mir, unsere sechs Kinder zu ernähren.“ Die Dreissigjährige nahm bei einem Geldverleiher einen Kredit über 400 Birr auf. Das sind umgerechnet lediglich 17 CHF. Der kleine Betrag bedeutet für sie eine schlimme Knechtschaft, aus der sie sich nicht allein zu befreien vermag.
Mit dem Kredit kaufte Fikre Holzkohle und einen einfachen Grill. Jetzt sitzt sie jeden Tag an einer Strassenecke der Kleinstadt Gangua und verkauft geröstete Maiskolben. Pro Tag macht sie einen Profit von etwa 20 Birr (85 Rappen). Doch die Hälfte ihres täglichen Verdiensts fordert der Geldverleiher als Zins. Nach einem Monat hat Fikre soviel Zinsen bezahlt wie die gesamte Kreditsumme ausmacht: Es ist empörend, dass gerade die Ärmsten, die bei den Banken keine Kredite bekommen, darauf eingehen müssen. „Die Sorgen drücken mich nieder, aber ich muss stark sein für meine Kinder und jeden Tag kämpfen“, sagt Fikre.
Fikre: „Ich muss stark sein für meine Kinder.“
In dieser schier ausweglosen Lage brauchen arme Frauen wie Fikre Anstösse von aussen. Menschen für Menschen Schweiz leistet diese Starthilfen nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“. Wie einst Raiffeisen regen die Mitarbeiter von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe in den Dörfern von Abaya die Bildung von Spar- und Kreditgruppen für 800 Frauen an. Zunächst müssen diese einige Monate lang kleine Beträge ansparen und so ihren Durchhaltewillen zeigen. Dann besuchen die Frauen, von denen viele nie in der Schule waren, Kurse von Menschen für Menschen Schweiz. Dort werden sie in den grundlegenden Regeln des Wirtschaftens unterrichtet. Erst dann bekommen sie ihren ersten Kleinkredit von umgerechnet rund 100 CHF.
Demnächst soll Fikre ihren ersten Kooperativen-Kredit erhalten. „Es wird grossartig, damit die Schulden zu bezahlen“, sagt die Mutter. „Allein das wird unser Leben extrem erleichtern.“ Mit dem Hauptteil des Kredits möchte sie in den Gemüsehandel einsteigen: „Man kann gut verdienen, wenn man die Produkte in den Dörfern kauft und sie in der Stadt verkauft.“ Mittelfristig wolle sie eine Kuh erwerben: „Es gibt eine grosse Nachfrage nach Milch in unserem Dorf.“ Der Verkauf von nur zwei Liter Milch bringt den gleichen Verdienst wie die tägliche Mühsal beim Rösten von Mais: „Meine Zukunft wird so viel leichter werden!“
Das Geld für die Erstkredite fordert Menschen für Menschen Schweiz nicht zurück. Es bleibt als Kapital in der Kooperative, um für die Mitglieder Folgekredite zu finanzieren. Das Ziel ist, dass sich die Äthiopienhilfe zurückziehen kann und die Genossenschaften alleine weiterarbeiten – gemäss dem Ansatz der Selbsthilfe, den schon Genossenschafts-Gründervater Raiffeisen verfolgte. Dessen Einsicht gilt eineinhalb Jahrhunderte nach dem ersten „Brodverein“ immer noch: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“
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