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Äthiopische Küche: Teff, Chili, Injerra und Berbere

Injerra-Brot angerichtet mit Saucen

Äthiopische Platte – immer auf einem Bett aus Injerra

Bei keiner äthiopischen Mahlzeit darf es fehlen: Injerra ist ein weiches Fladenbrot, das an einen grossen Pfannkuchen erinnert und unvergleichlich im Geschmack ist. Auf diesem Brot werden dicke Sossen gereicht, deren Basis oft Berbere ist, eine scharfe Gewürzmischung. Wer Injerra und Berbere einmal probiert hat, wird diese Speisen nicht mehr vergessen…

Für den Teig von Injerra schwören die Äthiopier auf Teff (Eragrostris abyssinica), ein Getreide, das in Europa bisher nur Kennern ein Begriff ist. Voll mit Mineralstoffen, Vitaminen und Proteinen ist es besonders wertvoll und nahrhaft. Doch Ernte und Verarbeitung sind mühsam, denn es ist die kleinste Getreidesorte der Welt. Teffkörner erinnern an groben Sand: 150 Körner erreichen in etwa das Gewicht eines Weizenkorns. Deshalb wird Teff auch „Zwerghirse“ genannt.

Der gemahlene Teff wird mit Wasser angesetzt und bis zu drei Tagen fermentiert, was dem Injerra später den typischen säuerlichen Geschmack verleiht. Das überschüssige Wasser wird abgegossen und der Teig – erneut verdünnt und gut gerührt – auf einem Injerra-Ofen oder über offenem Feuer auf einer flachen Tonschale gebacken.

Zum Essen sitzt man um den «Mesob», einen bunten Korbtisch, dessen Oberflächenkuhle mit Injerra-Fladen ausgelegt ist. Hierauf richtet die Köchin oder der Koch Gemüse und verschiedene «Wot» an: pikante Sossen mit Fleisch oder Hülsenfrüchten, deren Basis «Berbere» ist. Dabei handelt es sich um eine Gewürzmischung, deren Bestandteile in der Regel Koriander, Knoblauch, Ingwer, Basilikum, Bockshornklee und eine Reihe weiterer einheimischer Kräuter aus Äthiopien sind. Die hauptsächliche Zutat jedoch sind scharfe Chilischoten, die getrocknet und gemahlen werden – und manchem europäischen Gast den Schweiss auf die Stirn treiben.

Äthiopische Gewürzmischung "Berbere"

Berbere-Pulver – ein wichtiges Handelsgut auf den Märkten

Gerne erzählen die Äthiopier dann eine Legende, wie sich die Schärfe ihres Nationalgewürzes massgeblich für die Geschichte des Landes ist. Dem Gewürz und einer List König Salomons hat demnach Menelik I., der erste Kaiser Äthiopiens, seine Existenz zu verdanken: Als die Königin von Saba zu Gast bei Salomon war, verliebte er sich sofort in sie. Viele Male bat er sie, ihn zu heiraten. Doch die Königin zierte ich. Da ersann der König eine List. Er sagte, dass er sie nicht länger zur Heirat drängen wolle, wenn sie damit einverstanden sei, im Palast nichts anzufassen. Wenn sie doch etwas berühre, müsse sie einwilligen, seine Frau zu werden. Damit war die Königin einverstanden. Nach dem Genuss einer vom Hausherrn selbst gekochten Mahlzeit – mit reichlich Berbere – verspürte sie jedoch so starken Durst, dass sie nach einem Becher Wasser griff. Und ihr Versprechen einlösen musste.

Mit Berbere wird auch das Festtagsgericht Äthiopiens zubereitet: «Doro Wot», ein Hühnerragout mit vielen Zwiebeln und hartgekochten Eiern. Bauernfamilien können sich selten Fleisch leisten, meist nur zu den hohen Feiertagen. Daher fällt ihre Mahlzeit meist wesentlich einfacher aus: Häufig gibt es Injerra mit «Shiro», einer dicken Sosse aus Berbere, einem Pulver aus Kirchererbsen, Salz und Öl.

Gegessen wird nicht mit Besteck, sondern immer mit der rechten Hand, wie es die guten Manieren verlangen. Auch sitzt man nicht vor seinem eigenen Teller, sondern isst gemeinsam von einer wagenradgrossen Platte. Man reisst Injerra-Stückchen ab und nimmt damit die dicken Sossen in der Mitte der Platte auf – was bei den Äthiopiern sehr viel eleganter aussieht als bei europäischen Touristen.

Injerra kann man aus vielen Getreiden herstellen, teils verwenden die Äthiopier auch Sorghum-Hirsen. Aber die feinsten und besten Injerra gelingen nach Überzeugung der Feinschmecker, wenn sie aus reinem Teff gemacht sind. Dieses Getreide erzielt deshalb auf den Märkten gute Preise.

Auch im Kinderheim in Addis Abeba wird Injerra weggeputzt

En Guete! Kinder beim Mittagsmahl in einem Café in Shewarobit. Es gibt Injerra mit Shiro

Frau in Shewarobit bäckt Injerra auf traditionelle Weise

Demeku Gonete, 24, Mutter zweier Buben (Berakat, sechs Monate; Getenet, 5 Jahre) im Weiler Chare am Stadtrand von Shewarobit, wo MfM/EDA eine Sanitäranlage baut

Injerra-Fladen sind gross wie Wagenräder

Demeku Gonete, 24, Mutter zweier Buben (Berakat, sechs Monate; Getenet, 5 Jahre) im Weiler Chare am Stadtrand von Shewarobit, wo MfM/EDA eine Sanitäranlage baut

Die getrockneten Chilischoten werden für das Berbere gemörsert

Köchin in Aktion: Die Äthiopier mögen ihr Shiro schön heiss

Als die Felder der Bauern in der Fogera-Tiefebene im Herbst 2020 überflutet worden waren, stand Menschen für Menschen mit Nothilfe bereit: 880 Familien bekamen leistungsfähiges Teff-Saatgut, damit sie in der Saison doch noch ernten konnten. Im April und Mai 2021 konnte die Ernte eingebracht werden. «Nach der Flut stand unser Überleben auf dem Spiel», berichtet Bauer Shumete Yitbarek, ein Vater von vier Kindern. «Ohne die Saat-Hilfe hätten wir in eine Stadt ziehen müssen, auf der Suche nach einer Arbeit als Tagelöhner.» Dank der Ernte von 350 Kilogramm Teff könne seine Familie nun in ihrer Heimat bleiben: «Wir verkaufen den Teff, um günstigere Nahrungsmittel wie Mais zu kaufen, neben Kleidung und Schulbedarf.»

Wie drescht man Teff?